Online-Gschichtl Nr. 136

Die Leitha - Spaziergänge in der Au

Im dritten Teil zur Leitha begibt sich Johann Amsis diesmal auf einen Spaziergang in die Au.

 

Wenn man früher von Mannersdorf kommend in den Ort Wasenbruck kam, reichte die Au noch bis an den sog. „Grodngram“ (Krötengraben) an der Hauptstraße. Bis nach 1950 gab es ja noch keine Kirche und keine Kirchengasse, alles war damals Wildnis. Das erste Grundstück war das der Familie von Walter Wolfgang, ein Garten, gleich darauf begann die „Geschäftsstraße“ mit Fleischhauer Danzinger, dem Konsum und Friseur Müller. Dann kamen noch einige Einfamilienhäuser, die gegenüber vom Fabriksgarten endeten. Auf der rechten Seite der Ortseinfahrt vor dem Neugebäude gab es auch schon fünf Einfamilienhäuser. Gegenüber der Fabrikseinfahrt war der Firmenparkplatz, der auch heute noch als Parkplatz für die neuen Genossenschaftshäuser dient. Wo heute das zweite Genossenschaftshaus steht, waren die Balken, die Träger und der Schutt der abgebrannten Fabrik entsorgt worden. Die ältere Generation konnte sich noch gut erinnern und erzählte oft beim Vorbeiwandern von dem großen Unglück, als die Fabrik einst abgebrannt war. Wenige Meter neben der Leitha, auf der linken Seite flussaufwärts begann der Weg durch unsere Au. Dieser führte gut begehbar und auch befahrbar bis zum Böhm-Acker. Am Rande des Böhm-Ackers begann ein gut ausgetretener Hohlweg, der abgesehen von einigen Querwegen, z. B. bei der Hasensiedlung, bei der heutigen Kirche als Abkürzung zur Hauptstraße genommen werden konnte. Der Schleußendamm und die Schleuße wurden ja erst in den 1980er-Jahren gebaut und so konnte man ohne Unterbrechung bis auf die Heimwiese durchwandern. Weiter ging es durch das alte Flussbett der Leitha (Bergwerk genannt) durch einen weiteren Hohlweg bis zum Damm, beim Totenhaus kam man wieder auf die Hauptstraße. Ich finde es schade, dass man durch den Genossenschaftsbau den alten Weg komplett verbarrikadiert und nicht einmal einen kleinen „Wilderersteig“ gelassen hat. Gerne erinnere ich mich noch daran, wenn wir mit unserer Oma die ersten Frühlingsboten pflücken gingen. Am Rand der Heimwiese waren immer die größten und ersten Schneeglöckchen in der wärmenden Frühlingssonne zu finden. Wenige Tage bis Wochen später kamen die gut riechenden Veilchen, die Sternblumen, der Hahnenfuß sowie die lila und weißen „Bibahendl“ aus dem erwachenden Waldboden zu Tage, die wir Kinder für unsere Oma pflückten. Oma nützte diese Spaziergänge in der Au auch, um Holz für „ah Hoizbial“ zu sammeln, das sie dann in eine alte Arbeiterzeitung einwickelte und mit nachhause nahm. Feuer brauchte man ja für das Kochen, für warmes Wasser oder zum Wärmen des Kaffees. Dieses „Bial“ stopfte man beim Ofenloch hinein, zündete es an und schon brannte das „gramediare Zausat“. Das Holz zu sammeln und aus der Au zu holen war für die alten Leute Zeitvertreib, aber auch notwendig, um für den Winter Vorrat zu haben. Ein umgefallener Baum oder abgebrochene Äste wären damals nie verrottet, sondern sind klammheimlich in „ana Schupfn“ verschwunden. Das Holzsammeln war ja streng verboten und konnte mit einer Anzeige enden. Aber das Spiel mit dem Feuer, also das Holzstehlen, konnte oder wollte keiner lassen.

Der Hohlweg in der Au war ein sehr beliebter Spazierweg, fast in allen Jahreszeiten, mit Ausnahme des Sommers, durch die Schwüle und die Feuchtigkeit war es gefühlt wie am Amazonas. Die Gelsen und die Bremsen haben einem fast umgebracht. Aber im Frühling, Herbst und Winter konnte man sich nichts Schöneres vorstellen, als durch die Au zu streifen. Die Pensionisten, eine Schar Frauen oder Männer, fanden sich mehrmals am Tag zusammen, um durch die Au zu marschieren. Wenn die Frauen- oder Männerschar kam, konnte man sie schon aus der Ferne „kudan und lochn hean“. Es war für alle ein Spaß, sich den neuesten Tratsch zu erzählen. Nach der Vormittagsrunde ging es ans Kochen, nach der Nachmittagsrunde ging es auf eine Jause. Da gab es Malzkaffee für die „zache“ Semmel oder das „zache“ Kipferl zum Eintunken. Mit einem „Wachauer Gebiss“, also in jedem Eck eine Ruine, konnte man das Altbackene schon verdrücken. Nach der Nachmittagsjause ging es zwei- oder dreimal in der Woche durch die Pischelsdorfer Au zum Friedhof, um das Familiengrab zu gießen. Anschließend wurde beim „Banawirt“ noch ein Vierterl oder auch zwei auf die Verblichenen getrunken, um den Tag zu beschließen und dann noch rechtzeitig vor dem Finsterwerden nachhause zu gehen.

Auch für uns Kinder war die Au ein Paradies, wenn wir mit dem Kindergarten, dem Hort oder mit der Schule auf die Heimwiese gegangen sind, um Völkerball oder „Versteckerl“ zu spielen. Blinde Kuh und Seilziehen, kein Computerspiel kann mit so einem Spielplatz je mithalten. Auf der rechten Seite der Leitha verlief ein Weg zwischen dem Fluss und dem Italienergraben, der entlang der Liegewiese bis zur Pfarrerwiese führte. Vor der Pfarrerwiese (im Bereich des heutigen Schleußendammes) war noch ein richtiger Sumpf, in dem schon manches kleines Kind ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen wäre. Das Gelb der Sumpfdotterblumen war eine Pracht, die zum Grün des Sumpfes fast kitschig kontrastierte. Die Pfarrerwiese enthielt eine Blumenpracht, die ihresgleichen suchte. Da gab es Margeriten, Glockenblumen, Kornblumen, Pfoffadschgal, Stanagal, Zittergras und noch mehr. Es war für uns Kinder das größte Vergnügen, diese Blumen zu pflücken und der Oma oder Tante Maria vom Hort in die Hand zu drücken, sodass sie den Strauß nicht einmal mit zwei Händen zusammenhalten konnten. Die Pfarrerwiese reichte ohne Unterbrechung bis weit hinter den sog. „Leberweg“, der von Reisenberg herführt. Damals gab es zur Überquerung der Leitha noch die sog. „Schwarze Brücke“, die in der Nähe des heutigen Jägersteiges lag und gerne bei längeren Spaziergängen genutzt wurde.

 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Im Auwald der Leitha (Johann Amsis)

Foto 2: Fotosafari in der Leithaau (Monika Grohotolski)

Foto 3: Rast beim Spaziergang durch die Au (Johann Amsis)

Foto 4: Familienspaziergang in der Au (Johann Amsis)

Foto 5: Bei der Tiefen Leitha (Johann Amsis)

Foto 6: Beim Italienerbacherl (Kurt Tobler)