Online-Gschichtl Nr. 138

Die Leitha - Schwimmvergnügen und Anglerglück

Im fünften Teil zur Leitha wird es endlich sommerlich und Johann Amsis berichtet über die Badefreuden von anno dazumal.

 

Ende Mai bis Anfang Juni begann für uns Kinder die „Umwate“ und Badesaison in der Leitha. Die Kleinen gingen im Hof der Fabrikshäuser in einem Holztrog oder Kübel baden, mit einem Erwachsenen durften sie auch zur seichten Leitha gehen. Treffpunkt für die Jüngeren war meist auf der Schotterbank bei der Brücke. Damit es gemütlich wurde, hat man ein Stück Filz, von dem es ja mehr als genug in Wasenbruck gab, als Badedecke aufgebreitet. Wir Kinder bauten ein „Fischgrandl“ um das andere oder ein kleines Rinnsal wurde aufgestaut. Manchmal gelang es ja auch einen Grundler zu fangen und in so einem selbst angelegten Grandl einzusperren. Wir genossen so richtig die Freiheit in der Natur und das Wasserplantschen. Beim „Hundsgrobeln“ wurden erste Schwimmversuche unternommen, auch gefischt wurde mit einer Kinderangel. Letztere war eine auf ein Stück Holz aufgewickelte Fischersaite samt Haken mit einem Wurm vom Misthaufen.

In den 1960er-Jahren gab es auf der linken Seite, Richtung Mannersdorf, eine Furt, an deren Stelle sogar Fahrzeuge die Leitha durchqueren hätten können. Gleich neben der Furt war eine Anlandung mit frischem, zähem Schlamm. Für uns Kinder gab es nichts Schöneres und Angenehmeres, als bei der Hitze im Schlamm herum zu stapfen und manchmal eine unliebsame Überraschung zu erleben. Angstvoll wurde nach der Mama gerufen, die auf der Decke mit den anderen Müttern tratschte: „Mama schau amoi, wos i do hob, ih bliat do, do is wos schwoaz, wos is’n des?“ Die Blutegel hatten zugeschlagen, wie Mama beruhigend meinte: „Des san Bluategel, de san gsund, do hosd ah guads Bluat, sunst gangatns ned auf die“. „Ih wüh ka guads Bluat haum, dua mas owa“, war ich weniger überzeugt. Ob es heute auch noch Blutegel in der Leitha gibt oder sind die auch schon ausgerottet?

Beim legendären schiefen Baum, der leider Ende der 1970er-Jahre der Leitharegulierung zum Opfer gefallen ist, war eine relativ tiefe Badestelle. Und wenn nicht gerade gebadet wurde, konnte man dort super fischen und den Angelhaken mit dem Wurm den Fischen direkt vor das Maul schmeißen. Als ich dann schon etwas größer war, durfte ich manchmal schon allein zum schiefen Baum spielen und baden gehen. Der Leithaweg selbst war ja noch keine Straße und weitgehend unbefahren. Da konnte man als Kind gefahrlos zur Leitha gehen, alles barfuß selbstverständlich. Niemand brauchte damals Badeschuhe, unsere Fußsohlen waren so hart wie Leder, kein Stein oder Schotter konnte ihnen etwas anhaben. Ein großes Vergnügen war bei der Leitha immer das Plattlerschmeißen, das sind diese langen flachen Steine, die, wenn man es gut konnte, richtig über das Wasser hüpften.

Der Weg zum schiefen Baum oder zu den „glan Bamaln“ war aber dennoch nicht ganz ohne, denn die Familie Morawek (Schani) hatte dort ihre Ziegen angebunden. Auch die Hendln und die Gänse liefen frei herum. Der Gänserich war dabei eine richtige Kreatur, wenn man dem zu nahegekommen ist, ist dieses verdammte Vieh fauchend auf uns Kinder zugelaufen, um seine Familie zu beschützen. Wir Kinder haben aber den Grund für diese Abwehrhaltung nicht erkannt, wir dachten, dass es ein böswilliges Vieh ist und haben eingespannt, dass uns die Puste ausgegangen ist.

Noch eine Kindheitserinnerung ist mir da in den Sinn gekommen. Da wir ja alles ohne Schuhe „bloshapat“ gegangen sind, auch dort, wo das Federvieh seine Notdurft hinterlassen hat, sind wir natürlich gedankenlos durch deren Kot marschiert. Als Kind war mir das gar nicht unangenehm, beim Nachhausekommen hieß es dann: „Mama, ih bin in Hendldreck gstiegn, wast wir wach des woah!“ „Mocht nix, kriagst ah zoate Haut, zwischn de Zechn“, nahm es Mama zur Kenntnis. Also ging es zum Brunnen, den Blechkübel mit Wasser füllen, um die Füße mit der Ausreibbürste zu reinigen. Darum habe ich wahrscheinlich auch heute noch so weiche Haut zwischen den Zehen, naja einige Jahre später habe ich das auch anders gesehen.

Bei der seichten Leitha war immer etwas los, ob bei den „glan Bamal“ (kleinen Bäumchen), beim schiefn Bam, bei der Brücke oder beim Karpfendumpf. Bei der Brücke, die damals noch nicht so hoch war, sprangen die Kinder in die etwas tiefere Wasserstelle. Manchmal konnte man auch einen angeschwemmten Schweinekadaver oder zumindest Teile davon entdecken. Unter der Brücke kann man im Brückenpfeiler noch heute die Rohre vom alten Ortsabwasserkanal sehen, wo früher die Wasenbrucker Hinterlassenschaften einfach ungeklärt in die Leitha geleitet wurden. Wenn ich mich aber an die Fischschwärme unter der Brücke erinnere, dann dürfte diesen der ganze eingeleitete Dreck egal gewesen sein. Wenn wir gebadet haben, sind uns diese Fische direkt zuwider gewesen, denn sie knabberten an unseren Füßen und ließen sich nicht vertreiben.

Beim Karpfendumpf konnte man Karpfen und Weißfische in beachtlicher Zahl und Größe herumschwimmen sehen. In manch stillen Momenten hat sich dort so mancher ein gutes Nachtmahl organisiert. Herr Martinek war hingegen ein offizieller Fischer in Wasenbruck, mit Angelkarte und allem, was dazu gehörte. Er saß mit seiner Angel gern beim Karpfendumpf, oft hatte er aber den Wurmköder umsonst „gebadet“. Da waren aber auch noch die größeren Buben, Hansi Morawek (Mori), die Horvath-Buben, Ronald und Helmuth und andere, die es verstanden, mit der Hand so gut zu fischen, dass jeder Angelfischer vor Neid erblasste. Wenn also Herr Martinek wenig Erfolg hatte, gab er den Buben zehn Schilling, damit sie ihm Fische fingen und er nicht ohne Beute nachhause gehen musste.

In den Sommerferien fuhren einige Wasenbrucker Kinder in Ferienlager. Die daheimgebliebenen Kinder durften die Wildnis bei der tiefen Leitha mit ihren Familien erforschen und auch im Rossdumpf baden. Wir kleinen Kinder waren zunächst bei der seichten Leitha, als wir dann schon schwimmen konnten, durften wir auch zur tiefen Leitha. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie Karl Heinz Mandl immer rief. „Wer geht mit zum Gasreahl (Gasrohr) owa schwimma?“. Wir ließen uns nicht zweimal bitten, sind mitgegangen und wie die Sioux-Indianer beim Angriff durch das verwachsene Flussbett runtergeschwommen. Für uns Kleineren war es die Indianerromantik, die uns veranlasste mitzugehen, bei Karl Heinz waren es glaube ich eher die Bikinischönheiten, die es ihm angetan hatten.

In den 1960er-Jahren hatten wir auch schon mit den Hundstagen zu kämpfen, keiner wollte sich mehr bewegen, nur noch im Schatten liegen. Die Weidenbäume und die Pappelbäume wehten im Sommersturm hin und her, die Äste krachten und die Blätter rauschten, die Bremsen waren lästig und der Sturm machte es so unerträglich heiß, dass man kaum atmen konnte. Wir hatten nur eins im Sinn, hinein in die kühle Leitha. Auf der Schotterbank lagen die Filzdecken und Handtücher von den Badegästen. Ich werde nie vergessen, wie die türkisenen Libellen überall umherflogen und sich auf dem Schilfbewuchs niederließen. Über einen schmalen Hohlweg die Böschung hinunter erreichte man die Schotterbank vom Karpfendumpf, wo man gemütlich liegen und die Natur genießen konnte. Der Karpfendumpf war eine relativ große und tief ausgeschwemmte Stelle, die an der tiefsten Stelle mehr als zwei Meter hinunter reichte. Über einen umgestürzten, schief gewachsenen Baum konnte man, da das Wasser glasklar war, die Karpfen beobachten. Ein Stück Fluss aufwärts, wo sich die abgebrochene Uferböschung erhob, waren seichte Stromschnellen. Wenn man sich da hineinsetzte, kamen die kleinen Fische um einem „die Füße zu küssen“. Beim Karpfendumpf war auch eine längere, seichte Stelle, wo die Kinder des Ortes schwimmen lernen konnten.

Eine Begebenheit beim Karpfendumpf wird mir und allen, die dabei gewesen sind, wahrscheinlich immer im Gedächtnis bleiben. Nicht nur die Wasenbrucker haben die Leitha zum Baden geliebt, sondern auch viele Leute aus der Umgebung. Ottl Pfeiffer und seine Frau aus Mannersdorf waren fast an allen Sonnentagen vor Ort. Herr Pfeiffer beobachtete sehr gerne die Karpfen und irgendwann hat ihn das Jagdfieber gepackt. Er hat einen Blumendraht von zuhause mitgebracht und mit einer langen Stange eine „Maxn“ daraus gemacht. Der Draht wurde in Form einer Henkersschlinge an die Stange angebracht. Dann hat sich Herr Pfeiffer auf den Baumstumpf gesetzt und die Schlinge vor die Fische gehalten. Nach einigen Fehlschlägen ist doch ein Fisch in die Schlinge geschwommen, ein kurzer Ruck, die Schlinge war zugezogen und ein Riesenkarpfen wurde aus dem Wasser gezogen. Großer Applaus bei allen Badegästen, aber „wos moch mah mit dem Fisch?“ „Den brot mah fia de Kinda“, hieß es schnell. Den Taschenfeitel ausgepackt, den Fisch zerlegt, die Kinder sind dürres Holz Sammeln gegangen, eine Feuerstelle wurde auf der Schotterbank ausgegraben und ein Lagerfeuer entzündet, der Fisch auf einen Stock gespießt und knusprig gebraten. Der Fisch duftete, es lief jedem schon das Wasser im Munde zusammen, Romantik pur. Doch plötzlich ist uns der Appetit vergangen, denn am Zugang zum Karpfendumpf stand der gar gestrenge Gendarmeriepostenkommandant von Mannersdorf: „Wos mochts es do?“ Die Angelpartie wurde rasch zur Staatsaffäre erklärt, es folgte eine Anzeige, ein Protokoll und Zeugenaufnahmen von allen Badegästen. Jedenfalls hat den Fisch nach dem Rummel dann keiner mehr gekostet, der Appetit war allen gründlich vergangen.

 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Die Wasenbrucker Kinder beim Schwimmvergnügen an der seichten Leitha (Kurt Tobler)

Foto 2: Mit Luftmatratzen auf Erkundungstour, 1964 (Helga Thiel)

Foto 3: Ein Rastplatzerl am Ufer (Helga Thiel)

Foto 4: Der Autor Johann Amsis in jungen Jahren, 1969 (Archiv Johann Amsis)

Foto 5: Bei der seichten Leitha (Archiv Johann Amsis)

Foto 6: Die Liegewiese bei der tiefen Leitha (Karin Braun)