Online-Gschichtl Nr. 139

Die Leitha - Die "Bochkeah" und die "Hoizschneider"

Die Gründlichkeit der Woibehmen ist ja wohlbekannt, früher wurden daher nicht nur die Gehsteige gekehrt, sondern gleich das ganze Flussbett, wie uns Johann Amsis im sechsten Teil zur Leitha eindrücklich erzählt.

 

Mit der ersten Juliwoche begann der zweiwöchige Werksurlaub bei Hutter und Schrantz. Es wurden dann notwendige Revisionen und Reparaturen vorgenommen, die während der Produktion nicht oder nur sehr schlecht durchführbar waren. Die Firma hat ja die ganze Fabrik, die Arbeiterwohnungen, die Geschäftslokale und die Privathäuser mit Strom versorgt. In der ersten Zeit des Bestehens der Fabrik gab es ein 300 PS starkes Dampfkraftwerk, das den Strom lieferte. In späterer Zeit hat man sich entschlossen, auch die Wasserkraft der Leitha für die Stromerzeugung zu nutzen. Daher wurde eine Turbine zwischen den zwei großen Gebäuden am Mühlbach eingebaut. Zur einwandfreien Funktion dieser Turbine musste das Bachbett einmal im Jahr von den Anlandungen und vom Treibgut gereinigt werden. Bei der sog. „Bochkeah“ (Bachkehrung) hat man die tiefe Leitha ab Seibersdorf zeitweise in die seichte Leitha umgeleitet. Da war dann die seichte Leitha für die kleinen Kinder als Plantschbecken tabu, weil sie ja jetzt viel mehr Wasser führte. Die abgelassene tiefe Leitha war hingegen ein Erlebnis, was da so alles am Grund des nun seichten Wassers zu sehen war. Die Kinder und so manche Erwachsene gingen gerne dorthin, um dem Bagger stundenlang beim Arbeiten zuzusehen. Ein solches Gefährt war ja damals selten zu sehen, das konnte man maximal einmal im Jahr bei der Bachkehrung zu Gesicht bekommen. Technisch waren diese Maschinen noch nicht sehr ausgereift, da fiel schon mal eine Laufkette runter oder die Maschine ließ sich wieder einmal nicht starten und alles musste dann mühsam repariert werden. Aber während der zweiwöchigen Betriebsschließung gelang es, alles wieder soweit in Ordnung zu bringen, dass es bis zur nächsten Bachkehrung keine Probleme mit Anlandungen mehr gab.

Im Schatten der mächtigen Kastanienbäume konnte man gemütlich im Kühlen sitzen und das ganze Geschehen der Bachkehrung übersehen. Es gab dort auch zwei Betonstiegen, um besser in und aus dem Flussbett zu kommen. Diese waren eine willkommene Hilfe für uns Kleinen, das Flussbett war ja sehr tief und es wäre sonst nicht leicht möglich gewesen, das Ufer zu überwinden. Die Baggerarbeiten begannen meistens am Montag, die Leitha wurde daher schon am Samstag abgelassen und da begannen wir gleich mit der Erforschung des neugewonnenen Spielplatzes. Den eigenen Duft der tiefen Leitha habe ich heute noch in meiner Nase. Wenn die Leitha abgelassen war, war das auch die Zeit der gebratenen Fische. Eine Anzahl Männer fand sich, die mit den Händen Fischen gingen. War ein Dumpf ausgemacht, bildeten die Männer einen Halbkreis zum Ufer, nach und nach wurde dieser verkleinert, plötzlich gab es nur mehr fliegende Fische, die Männer griffen sie und schmissen sie auf die Schotterbank. Wir Kinder mussten die Fische dann einsammeln und in große Jutesäcke füllen. Da kam einiges an Karpfen und Weißfischen, auch solche mit beachtlicher Größe, zusammen. In der Leitha waren damals noch große Fischbestände, das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen. Zu Mittag und am Abend duftete es im ganzen Ort nach gebratenem Fisch.

Der Beginn der ersten Ferienwoche hatte noch eine andere Abwechslung gebracht, es kam der „Hoizschneider“ in den Ort. Das Holz, das aus der Au geschlägert wurde, musste ja in ofengerechte Stücke geschnitten werden. Da dies mit einer Handsäge „ah Hockn fia an gwest war, der Voda und Muada daschlogn hod“, hat man den Holzschneider, Franz Friedrichkeit, bestellt. Der ist mit seiner Motoradkreissäge gekommen, hat sich aufgestellt und hat nach Zugabe der Meterscheite durch meinen Vater, unter ohrenbetäubenden Lärm, diese in „Fünfazwangastickln“ geschnitten. Nach zwei Stunden war die Schneiderei vorbei und im Hof lag ein gewaltiger Berg von geschnittenem Holz. Herr Friedrichkeit packte zusammen und fuhr zum nächsten Kunden. Bei uns ging es dann erst richtig los, zwei Holzstöcke, zum Hacken, einer für meinen Vater, einer für meine Mutter, Stück für Stück musste noch kleiner und ofengerecht gehackt werden.

Ich wurde einstweilen zur Leitha „Baggaschaun“ geschickt: „um zwöfe wauns buad, bist daham, do gibts ah Maurajausn, ah Knacka in Essig und Öl und ah kochts Eia“. Um zwölf Uhr war ich pünktlich zuhause, der Küchentisch war im Garten im Schatten des Nussbaumes aufgestellt worden. Vom Holzhaufen hatten die Eltern inzwischen schon einen großen Haufen gehackt: „den loss mah ah bissl trickan, daun raman heit noh eini, bevor ah Weda kummt“. Beim Tisch wurde die „Maurajausn“ aufgetischt. Im Radio erklangen die Mittagsglocken und anschließend die Signation von „Autofahrer Unterwegs“. Rosemarie Isopp führte durch die Sendung, sie schwärmte von der Großglockner Hochalpenstraße, von der Silvretta oder gar von der Adria. Das Fernweh packte einem, aber wir waren auch nicht ganz unglücklich über unsere Leitha.

Nach der Mittagspause wurde wieder die Axt geschwungen und Rundling um Rundling zerkleinert. Ich ging zum Spielen auf meinem Lieblingsplatz bei uns zu Hause, auf meinem Sandhaufen. Nach einiger Zeit, als mein Vater vom Hacken eine Pause brauchte, sagte er: „gema auf de Gossn schaun, obs wos Neix gibt“. Er wollte mit jemanden der vorbeiging tratschen und rauchen. Wie wir beim Tor raus sind, kam gerade Herr Loderer mit einem grünen Jägerrucksack daher. „Wo gehst’n hie Seppe?“, hat mein Vater gleich gefragt. „Zum Bachal ah boah Bisamrotzn faunga, do los ih meina Oidn an Pözmauntl fia Weihnochtn mocha“, gab Herr Loderer Auskunft. Ob seine Gattin den Pelzmantel wirklich bekommen hat, weiß ich nicht, da hätten schon viele Bisamratten ihr Leben lassen müssen. Jedenfalls ging es dann mit dem Holzhacken in der schwülen Nachmittagshitze weiter, bis zum Abend war das gehackte Holz dann im Schupfen eingeräumt. Nach wenigen Tagen war alles Holz gehackt und der Schuppen voll, das gerade noch die Tür zuging – der Winter konnte kommen.

 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Die "Bochkeah" in den 1960er-Jahren (Kurt Tobler)

Foto 2: Die Bachräumung bei Trautmannsdorf wurde schon 1909 regelmäßig durchgeführt (Brucker Bezirksbote vom 9. Mai 1909)

Foto 3: Auch der Werkskanal wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg jährlich geräumt (Brucker Bezirksbote vom 18. Mai 1913)