Online-Gschichtl Nr. 14

Familie Adler aus Böhmen

Heute vor 55 Jahren, am 10. Mai 1965, verstarb der bedeutende Mannersdorfer und akademische Maler Edmund Adler. Michael Schiebinger (Edmund-Adler-Galerie) wirft anlässlich dieses Gedenktages einen Blick auf die spannende Herkunft der Familie Adler, die nun genauer geklärt werden konnte …

 

Edmund Josef Adler wurde am 15. Oktober 1876 in Wien-Neubau geboren und in der Pfarrkirche St. Ulrich am Spittelberg getauft. Sein Vater war Heinrich Adler, der als Regenschirmmacher tätig war. Seine Mutter Magdalena Adler, eine geborene Wiesinger, stammte wiederum aus einer Zistersdorfer Bauernfamilie. Magdalena war Heinrichs zweite Frau, seine Gattin aus erster Ehe, Maria Adler (geb. Brezina aus Karlstift), war 1874 mit erst 30 Jahren verstorben. Heinrich Adler war kein gebürtiger Wiener, sondern stammte aus Böhmen. Da er seine erste Frau 1869 bereits in Wien in der Pfarre Matzleinsdorf geheiratet hatte, dürfte Heinrich wenige Jahre zuvor in die Haupt- und Residenzstadt gekommen sein. Zahlreiche Böhmen waren damals nach Wien gezogen, die Männer fanden vielfach Arbeit in den Ziegelfabriken am Wienerberg („Ziegelböhmen“), während die Frauen als Köchinnen oder Stubenmädchen eine Anstellung bekamen. Und das reiche böhmische Erbe kann man ja noch heute in der Wiener Küche oder bei den Familiennamen wiederfinden – auch in Mannersdorf.

Heinrich (cz. Jindřich) Adlers Wurzeln führen nach Mittelböhmen, er wurde am 15. Mai 1841 im kleinen Ort Kunemil (dt. Kunemühle) geboren. Heinrich war der Sohn des Michael Adler, der 1807 ebenso in Kunemil zur Welt gekommen war. Michael wiederum war der Sohn von Ferdinand Adler (1766-1830) und Theresia Adler (1776-1854). Michael hatte am 2. Mai 1837 Anna Wangler in der Pfarrkirche von Světlá nad Sázavou (dt. Swietla ob der Sasau), einer Kleinstadt nächst Kunemil, geheiratet. Wie sein Vater Ferdinand war Michael in Kunemil als Papiermüller bzw. Papierfabrikant tätig.

Wie der Ortsname verrät, war Kunemil eine historische Mühlensiedlung an der Sasau. Das Dorf liegt ziemlich genau in der Mitte der Tschechischen Republik, es hat derzeit gerade einmal 110 Einwohner und ist seit 1990 wieder eine eigenständige Gemeinde. Die Geschichte des Ortes reicht bis in das Mittelalter zurück, als die längst verschwundene Burg und das dazugehörige Dorf wechselnden Adeligen unterstanden. Später kam Kunemil zur Herrschaft Světlá, wo auch die zuständige Pfarre ansässig war.

Bereits 1787 wurde eine Papiermühle im damaligen Ortsteil Josefodol (dt. Josefsthal) am Flüsschen Sasau genannt. Das Handwerk des Papierherstellens hatte also eine lange lokale Tradition. Ob die Mühle bereits im 18. Jahrhundert von der Familie Adler betrieben wurde, ist derzeit nicht bekannt. Ab 1819 wurde Ferdinand Adler jährlich im „Schematismus für das Königreich Böhmen“ als Papiermüller in Kunemil angeführt. Der Kataster von 1838 lässt südlich des Flüsschens Sasau zwei gemauerte Gebäude und weitere Nebengebäude aus Holz erkennen. 1841-43 schien Michael Adler als Papiermüller in Kunemil auf. Die Papiermühle soll im weiteren Verlauf einem Adeligen namens Štencl gehört haben, sodass die Familie Adler eventuell nur Pächter waren. Štencl ging bankrott und verkaufte 1861 an den Wiener Kaufmann Josef Schreiber. Dieser stieg erfolgreich in die böhmische Glasproduktion ein, er ließ die Papiermühle in eine Glasschleiferei umbauen und 1882 um eine Schmelzhütte ergänzen. Die Glasfabrik wird immer noch betrieben, während der Ort Josefodol mit seinen 145 Einwohnern heute nicht mehr zu Kunemil, sondern zur Stadt Světlá gehört.

 

Der Verkauf der Papiermühle im Jahr 1861 könnte ursächlich für Heinrich Adlers Übersiedlung nach Wien gewesen sein. Auch zeitlich würde dies stimmig sein, da er ja 1869 in Wien seine erste Ehe einging. Er wechselte auch die Profession, denn der gelernte Sattler war nun als Regenschirm- und Sonnenschirmmacher tätig. Die Herkunft der Familie Adler scheint nun etwas klarer, wenn auch zukünftig noch manches Details entdeckt werden wird …


Fotos: Sammlung Heribert Schutzbier, Digitales Archiv der Edmund-Adler-Galerie