Online-Gschichtl Nr. 46

Beim Johannes

Mannersdorf ist reich an religiösen Kleindenkmälern, die Heribert Schutzbier in seinem zuletzt erschienen Buch ausführlich dargestellt hat. Michael Schiebinger möchte heute ein besonderes Exemplar der Kleindenkmäler herausgreifen.

 

„Beim Johannes“ ist eine bis heute geläufige Mannersdorfer Ortsangabe und meint den Punkt, an dem die Jägerzeile, der Schubertplatz und die Fabriksgasse zusammentreffen. Der kleine, dreiecksförmige „Platz“ nimmt den namensgebenden „Johannes“ auf, damit ist die dortige Barockkapelle des hl. Johannes Nepomuk gemeint. In der Literatur wird die Kapelle sehr allgemein um die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert. Weitere Angaben oder Quellen zur Entstehung des kleinen Bauwerks sind bisher nicht bekannt. Der Kunsthistoriker greift in einem solchen Fall zunächst auf die Beschreibung und Analyse des Kunstwerkes selbst zurück, um daraus Schlüsse zu ziehen.

Die Kapelle erhebt sich freistehend auf einer quadratischen Grundfläche, massige Pfeiler tragen vier Rundbögen und sind nach außen mit Putzbändern verziert. Zwischen den Bögen überspannt ein Gewölbe das Kapelleninnere, während außen ein Traufgesims zur kuppeligen Haube des Daches überleitet – ein Kreuz bekrönt die Kapelle. Die vier Bogenöffnungen ermöglichen den freien Blick in das Kapelleninnere, wo sich mittig auf einem hohen Postament die Steinskulptur des Heiligen erhebt. Johannes Nepomuk ist auf einer Wolke kniend dargestellt und trägt die Chorkleidung eines hohen Geistlichen. Auf der Wolke unter ihm tummeln sich Putti und Cherubim, also barocke „Engerl“ und „Kinderl“, die gebannt zum Heiligen aufblicken. Dieser hält in der erhobenen Rechten, wie ein Siegeszeichen, das Kruzifix in die Höhe. Aus Ehrfurcht vor dem Gekreuzigten hat er sein Birett abgenommen und hält die Kopfbedeckung in der Linken. Das Haupt des Heiligen wird durch einen Strahlenkranz hinterfangen.

Aus stilistischen Gründen können die Kapelle und die Skulptur, die zweifelsohne gleichzeitig entstanden sein müssen, etwa in die Jahre zwischen 1720 und spätestens 1760 datiert werden – diese Zeitspange entspricht dem Spätbarock. Das benachbarte Badegebäude war in seiner heutigen spätbarocken Form nach dem Brand von 1723 unter der Regentschaft von Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard entstanden. Es ist davon auszugehen, dass die benachbarte Johannes-Nepomuk-Kapelle erst nach oder im Zuge des Ausbaues des Badegebäudes im 18. Jahrhundert entstanden war. Die Qualität der Skulptur und der Architektur der Kapelle lässt vermuten, dass hier keine einfachen, lokalen Künstler beteiligt waren, sondern entsprechend höher qualifizierte und versierte Bauleute. Die Qualität spricht auch dafür, Gräfin Fuchs als Stifterin oder Mitinitiatorin des „Johannes“ anzusehen.

Der Heilige Johannes selbst lebte im Mittelalter und stammte aus der böhmischen Stadt Pomuk, nach der er auch benannt ist. Als Generalvikar der Erzdiözese Prag kam er in Konflikt mit dem böhmischen König, der ihn letztlich „beseitigen“ ließ. Johannes Nepomuk wurde von der Karlsbrücke in die Moldau geworfen und kam so ums Leben. Der Leichnam des Märtyrers trieb im Fluss, während um sein Haupt fünf Sterne erschienen. Der Heilige wird daher für gewöhnlich mit einem Sternenkranz als Heiligenschein dargestellt, wobei die fünf Sterne für die Buchstaben des lateinischen Wortes „tacui“ stehen sollen – übersetzt bedeutet dies „Ich schwieg!“. Eine Anspielung auf die Legende, wonach der Heilige als Beichtvater der Königin dem König gegenüber nicht Preis gab, was er hörte, das Beichtgeheimnis so wahrte und deshalb getötet worden wäre. Als man 1719 Johannes‘ Grab im Veitsdom zwecks seiner Seiligsprechung öffnete, soll seine Zunge nicht verwest gewesen sein – ein Zeichen seiner Schweigsamkeit. 1729 wurde Johannes Nepomuk letztlich heiliggesprochen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Mannersdorfer Kapelle in zeitlicher Hinsicht in Folge dieser Erhöhung Johannes‘ zur „Ehre der Altäre“ um 1730 entstanden sein dürfte.

In unserer Gegend sind in der Zeit nach 1729 zahlreiche Monumente für den Heiligen entstanden, wobei der Heilige stets als stehende Figur wiedergegeben wurde. Beim Mannersdorfer „Johannes“ ist dieser aber kniend dargestellt, im Moment seiner „Auffahrt“ in den Himmel. Eine vergleichbare Darstellung findet sich lokal nur an der Fassade der Brucker Stadtpfarrkirche. Die meisten Skulpturen des Heiligen stehen an Brücken und Wasserläufen, da der Heilige wegen seines gewaltsamen Sturzes in die Moldau bald als Brückenheiliger fungierte. Die Standortwahl der Mannersdorfer Kapelle neben dem Badegebäude mit seiner Quelle und den dort unterirdisch befindlichen Wasserläufen war somit mehr als stimmig. Und auch die Architektur der Kapelle als Pavillon ist in unserer Gegend selten, wenn man von der Donatikapelle absieht.

Im weiteren Verlauf der Jahrhunderte blieb der „Johannes“ eine von drei Blickachsen sichtbare Konstante im Ortsbild. Die erste bekannte bildliche Darstellung der Kapelle stammt aus dem Jahr 1837, in Schweickhardts „Perspectiv-Karte“ ist der Bau in schematischer Weise mit dem charakteristischen Dach wiedergegeben. 1888 fand eine Restaurierung der Skulptur auf Kosten der Familie Cornides, den Besitzern der Drahtzugfabrik im ehem. Badegebäude, statt. Auch alte Fotografien zeigen, dass Kapelle und Skulptur nie verändert wurden. Die letzte, schon lange ausstehende Restaurierung fand bekanntlich 2015 bis 2017 statt, die unterirdischen Wasserläufe sorgen aber immer wieder für Feuchtigkeit im Sockelbereich.

 

„Beim Johannes“ findet bis heute bei Schönwetter die Weihe der Zweige am Palmsonntag statt, platzmäßig bedingt wendet der Heilige dabei den Gläubigen jedoch den Rücken zu. Anders ist dies zu Fronleichnam, wo die Kapelle den vierten Altar der Prozession aufnimmt. Der „Aufputz“ des Altares wurde lange von den umliegenden Häusern besorgt, Heiligenbilder, Teppiche und Blumenstöcke wurden und werden dazu hervorgeholt. Und so ist „unser“ Johannes bis heute eben ein besonderer Ort geblieben.


Foto 1: Johannes-Nepomuk-Kapelle, Jägerzeile/Fariksgasse/Schubertplatz (Michael Schiebinger)

Foto 2: Johannes Nepomuk himmelwärts "fahrend" (Michael Schiebinger)

Foto 3: Vergleichbar kniende Darstellung des Heiligen, Fassade der Stadtpfarrkirche Bruck a. d. L. (Michael Schiebinger)

Foto 4: Mannersdorf um 1837, Johannes-Nepomuk-Kapelle in der Bildmitte rechts des Badegebäudes (Perspectiv-Karte, Franz X. Schweickhardt)

Foto 5: Perlmooserhof/Badegebäude mit dem "Johannes" nach 1928 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 6: "Der Johannes" im Jahr 1936 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 7: "Der Johannes" um 1950/60 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 8: "Der Johannes" um 1960 (Archiv Michael Schiebinger)