Online-Gschichtl Nr. 50

Die Halterzeile

Zum Jubiläum des 50. Online-Gschichtls möchte sich Michael Schiebinger, nach der Neustift und der Jägerzeile, einem weiteren wichtigen Straßenzug Mannersdorfs widmen.

 

Die Halterzeile erstreckt sich auf gut 700 Metern vom heutigen Kreisverkehr, wo Untere Kirchengasse, Hofer Straße und Hauptstraße zusammenkommen, bis zum Ortsende Richtung Wasenbruck. Das Besondere dieser Straße ist, dass sie als langer, breiter Anger angelegt ist und daher fast wie ein eigenes Dörfchen wirkt. Neben der Fahrbahn der Landesstraße entstand, der Breite wegen, eine eigene Nebenfahrbahn. Der Name der Straße ist diesmal sehr leicht herleitbar, nämlich zum einen von der Häuserzeile, die hier zunächst nur im Süden bestand und zum anderen von den Haltern. Der Halter oder „Hoida“ ging in einstigen Zeiten in der Früh peitschenknallend durch Mannersdorf, von Hof zu Hof. Das Schnalzen der Peitsche zeigte den Bauern an, dass sie ihre Hoftore öffnen sollten, denn der Halter holte ja die Rinder ab, um sie als Herde auf die Weide zu führen. So wurden die Tiere durch die Hauptstraße zum „Einsereck“ aus dem damaligen Marktort geführt und weiter auf die „Had“ gegen Wasenbruck – als Weg außerorts diente eben die Halterzeile. Am Abend zogen die Rinder mit dem Halter zurück in den Ort und wurden wieder ihren Bauern übergeben.

Die Halterzeile selbst lag also immer außerhalb des Hofer Tores und des Marktes, sie war gewissermaßen ein kleiner Vorort. Auf der 1751 erstellten Herrschaftskarte von Marinoni ist der Straßenzug mit seiner einseitigen Zeilenbebauung im Süden erstmals bildlich fassbar. Auf dem Franziszeischen Kataster von 1832 wird die Halterzeile bereits namentlich so bezeichnet. Die südliche Zeile bestand aus 24 Anwesen, die als langgestreckte Giebelhäuser errichtet worden waren und rückwärtig über kleine, meist quergestellte Holzschuppen verfügten. Hinter den Höfen lagen die Gärten und weiter Richtung Hof die Hausäcker. 1837 ist die Situation der Bebauung auch bei Schweickhardts Perspektiv-Karte in ähnlicher Weise wiedergegeben. Die Häuser der Halterzeile reichten damals etwa bis unterhalb der heutigen Siedlergasse. Die nächste Kartendarstellung bietet die Franzisko-Josephinische Landesaufnahme von 1872. Auch dort ist die Halterzeile noch mit einer einzigen Häuserzeile dargestellt, weder im Norden noch gegen Wasenbruck waren bisher neue Häuser hinzugekommen. Erst im 20. Jahrhundert sollten dann schrittweise auch an der Nordseite der Halterzeile Bauten hinzukommen. Am Beginn der Ersten Republik wurde der Arbeitersportklub (ASK) Mannersdorf gegründet und an der unteren Halterzeile zum Hofstadl hin noch 1920 ein erster Sportplatz angelegt. Bis zur Zwischenkriegszeit entstanden dann die Wohnhäuser in der Siedlergasse und „Am Anger“, den beiden unteren Seitengasse der Halterzeile. Zwischen den Seitengassen lagen aber zunächst noch lange Zeit freie Flächen und Gärten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch die südliche Zeile mit Neubauten Richtung Wasenbruck verlängert. Die jüngsten Bauten sind die Sonnenpark-Reihenhäuser am Ortsende, die eine wenig erfreuliche Baugeschichte aufweisen und die Ortseinfahrt bis heute als unvollendetes Projekt optisch „bereichern“.

 

Die meisten Gebäude an der Halterzeile haben stets als Wohnhäuser gedient, Handwerker und andere Betriebe waren nur vereinzelt angesiedelt. Bei Haus Nr. 5 befindet sich seit Jahrzehnten eine von zwei verbliebenen Tankstellen in Mannersdorf. Nr. 17 wiederum beherbergte lange das legendäre Gasthaus von Johann Dunshirn. Im Haus Nr. 33 war früher der Gendarmarieposten untergebracht und Nr. 16 ist die Adresse des ASK Mannersdorf mit seinem Sportplatz. Auch das Erscheinungsbild der alten Häuserzeile hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts stark verändert, ab den Wirtschaftswunderjahren wurden die typischen Giebelhäuser straßenseitig abgerissen und durch zweigeschossige, traufständige Wohnbauten ersetzt. Wenige kleine Giebelhäuser haben sich erhalten und wirken wie verlorene Zeugen der Vergangenheit zwischen den groß dimensionierten Neubauten. Im jüngeren unteren Bereich der südlichen Häuserzeile sind kleine Vorgärten entstanden, auch der für Mannersdorf ungewöhnlich üppige Baumbestand hat seinen Reiz. Letztlich blieb der Angercharakter in der Straßenmitte ebenso erhalten und lässt die Halterzeile bis heute als eigenständige Siedlung außerhalb des Ortskernes erkennen.


Foto 1: Der Hoida treibt die Rinder durch die Hauptstraße, um 1950 (?) (Archiv Karl Trenker)

Foto 2: Die wohl erste bildliche Darstellung der Halterzeile (Bildmitte), 1751 (Giovanni J. de Marinoni, De re ichnographica)

Foto 3: Die Halterzeile im Biedermeier, 1837 (Franz X. Schweickhardt, Perspectiv-Karte)

Foto 4: Die Halterzeile im Jahr 1872 (Franzisko-Josephinische Landesaufnahme,  Wikipedia)

Foto 5: Blick auf die Giebelhäuser der südlichen Zeile, NS-Zeit (Archiv Karl Trenker/Stadtmuseum)

Foto 6: Rinder auf der Halterzeile, um 1950 (?)  (Archiv Karl Trenker/Stadtmuseum)

Foto 7: ASK Mannersdorf mit der Halterzeile im Hintergrund, 1927  (Archiv Karl Trenker/Stadtmuseum)