Online-Gschichtl Nr. 52

Wo Könige ruhen und Pascha speisten

Bei unseren Online-Gschichtln steht ja meist der Hauptort Mannersdorf im Fokus des Geschehens, deshalb sollen heute wieder einmal zwei Erzählungen aus Wasenbruck an die Reihe kommen. Und wer könnte da besser berichten, als ein originaler Wasenbrucker, wie es Johann Amsis ist – Michael Schiebinger steuerte die geschichtlichen Hintergründe bei.

 

Wer erinnert sich nicht an die Geschichte unserer Kindertage, wo uns die Legende erzählt wurde, dass Atilla der Hunnenkönig nach seinem Tod in der Leitha oder in den Leithaauen mitsamt seinen Schätzen begraben wurde. Viele Löcher sind von uns Kindern gegraben worden, bei jeder Baustelle sind wir gestanden, ob nicht doch der Schatz freigelegt wird. Irgendwie warte ich manchmal noch heute darauf, dass er entdeckt wird, womöglich noch dazu in meinem Garten!

Und so erzählt man sich die Begebenheit: Als der Hunnenkönig starb, bestatteten ihn seine Kämpfer. Daraufhin sei ein Flussabschnitt umgeleitet worden und er sei in drei Särgen aus Bronze, Silber und Gold bestattet worden. Der Fluss wurde wieder umgeleitet und somit soll der gute Attila in seinem feuchten Grab nie gefunden werden. Den Bestattern, sechs Männer sollen es gewesen sein, wurde versprochen sie müssten nie wieder arbeiten – was auch nicht gelogen war, denn sie sollen nach Beendigung der Bestattung exekutiert worden sein. Die Zeremonie lief unter vollständiger Geheimhaltung ab. Man vermutet, dass sich das Grab irgendwo bei der Leitha befindet, doch bis heute wurde keine Spur von Attila oder seinen unschätzbar wertvollen Särgen gefunden.

Wie bei Sagen üblich gibt es auch hier einen wahren Kern, Attila gab es wirklich. Er war im 5. Jh. n. Chr. der Anführer bzw. „König“ der Hunnen, einem aus Zentralasien stammenden Reitervolk. Diese richteten zu Attilas Zeiten im heutigen Ungarn ein Herrschaftsgebiet ein. Attila rückte mehrmals in Feldzügen gegen das West- und Oströmische Reich vor, die Hunnen gelangten so bis in das heutige Frankreich. Attila verstarb 454 unter nicht bekannten Umständen, auch seine letzten Lebensjahre liegen im Dunkeln. Dieser Umstand dürfte die Fantasie der Menschen beflügelt haben, bereits im Mittelalter wurde Attila zu einer verklärten Gestalt und kam als „König Etzel“ im berühmten Nibelungenlied vor. Auch die Ungarn entdeckten in ihrem nationalen Findungsprozess im 19. Jahrhundert die Gestalt des Hunnenkönigs für sich. In St. Georgen bei Eisenstadt befindet sich zentral aufgestellt ein römischer Grabstein, auf dem die Namen „Atili“ und „Atiliae“ zu lesen sind. Die Fantasie der Bevölkerung machte daraus den „Attilastein“, er würde an die Heirat Attilas oder an seine Annahme des Christentums erinnern, eine dritte Deutung macht ihn sogar zu Attilas Grabstein. Ob der Hunnenkönig in St. Georgen oder in Wasenbruck begraben liegt, muss also vorerst ungeklärt bleiben …

 

In Wasenbruck wurden aber nicht nur sagenhafte Könige bestattet, auch sagenhaft gut gespeist wurde hier, wie eine Sage aus der Türkenzeit zu berichten weiß. Als in den ersten Julitagen des Jahres 1683 türkische Streifscharen unsere Gegend verunsicherten, brandschatzend und mordend durch die Gegend zogen, hat sich die Mannersdorfer Bevölkerung verängstigt in die Burg Scharfeneck zurückgezogen und dort verbarrikadiert. Von der Burg beobachteten sie die Aktivitäten der türkischen Soldaten bei der Wasenbrücke. So blieb ihnen nicht verborgen, wie die Soldaten ihre Turbane mit Sand und Erde füllten und einen Hügel im Bereich des heutigen Parks für ihren Pascha errichteten. Ein Hügel, der später als Wasenbrucker Türkenbergl bekannt wurde.

Nach einigen Tagen, als das Bergl fertig war, entzündeten sie ein Feuer um die Fertigstellung mit einem Festessen zu begehen. Der Pascha hat ein Hendl, das seine Soldaten bei den Mannersdorfer Bauern erbeutet hatten, zum Braten auf einen Spies gesteckt. Während er gerade das Hendl gebraten hat, hat ihn der Kanonier der Burg Scharfeneck entdeckt, den Pascha ins Visier genommen und mit einem Meisterschuss aus der Kanone das Hendl aus der Hand geschossen. Aufgrund dieses Schusses haben die Türken vor lauter Angst ihre Zelte abgebrochen und sind abgezogen. Die Mannersdorfer Bevölkerung konnte die Burg dann wieder verlassen, auf Ihre Höfe zurückkehren und wieder ein normales Leben führen.

 

Auch bei dieser Sage besteht ein historischer Hintergrund, denn die Türken bzw. Osmanen standen 1683 tatsächlich vor den Toren Wiens und hatten mit ihren Streifscharen das gesamte Umland heimgesucht, Dörfer niedergebrannt, Bewohner getötet und auch viele Menschen verschleppt. Über die Vorgänge in Mannersdorf berichtete später der Hofschreiber Johann Payer. So sei die Bevölkerung tatsächlich auf die Scharfeneck geflüchtet, die damals schon ruinös war. Zum Schutz hatte der kommandierende Hauptmann Johann Zeitler Schanzgräben und Palisaden errichten lassen. Wenn Payers Aussagen stimmen, so hätten die Türken dreißigmal (!) vergeblich versucht die Ruine anzugreifen. Im „Weingepürg“ hätten die Männer von Hauptmann Zeitler immer wieder Türken verjagt, getötet oder gefangen genommen. Dennoch wurden viele Gebäude im Markt Mannersdorf und der Umgebung zerstört, erst um 1688 ging man an die Wiederherstellung. Auch viele Todesopfer waren in der Bevölkerung zu beklagen, sodass weitere kroatische Bauern ins Land geholt wurden, um den Wiederaufbau voranzutreiben. Diese schicksalshafte und prägende Zeit der Türkeneinfälle brachte verschiedene Geschichten und Erzählungen hervor, die gerne sagenhaft ausgeschmückt wurden, denken wir nur an den Purbacher Türken am Rauchfang. Und so hat fast jeder Ort in der Umgebung eine oder mehrere Legenden zu 1683 zu berichten. Die Sage vom Türkenbergl ist dabei eine recht humorvolle. Vermutlich suchte man auch eine Erklärung für den ungewöhnlichen Hügel, der mitten in der Ebene aufgeragt haben muss. Vielleicht war er ja ein Tumulus, also ein Hügelgrab, womöglich gar von Attila – die Fantasie darf ja weiterleben.


Foto 1: Der Attiliastein von St. Georgen (Michael Schiebinger)

Foto 2: "Atiliae" und "Atili" sind am Stein von St. Georgen zu lesen (Michael Schiebinger)

Foto 3: Der Purbacher Türke, die Türkeneinfälle sorgten für einen reichen Sagenschatz (Michael Schiebinger)

Foto 4: Das Türkenbergl von Wasenbruck links zwischen den Arbeiterwohnhäusern, 1906 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Die Ruine Scharfeneck (um 1900), von hier soll die Kanonenkugel Richtung Wasenbruck abgefeuert worden sein (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 6: Die Wasenbrücke mit dem auffälligen Türkenbergl, 1838 (Perspectiv-Karte, Franz X. Schweickhardt)