Online-Gschichtl Nr. 63

Das Kino in Mannersdorf und Wasenbruck - Teil 1

Auf besonderen Wunsch einiger Leser der Online-Gschichtln möchte Michael Schiebinger in zwei Teilen eine längst verschwundene Institution Mannersdorfs und sein Wasenbrucker Pendant in den Mittelpunkt stellen – das Kino. Zu danken ist dabei Christl und Hans Amelin sowie Karl Trenker für das Zurverfügungstellen von Fotos und Unterlagen.

 

Vom Mannersdorfer Kino, wie von jenem in Wasenbruck, ist nicht viel geblieben und mit ihnen ging auch das Wissen über seine Existenz in der jüngeren Generation vielfach verloren. Der Mannersdorfer Perlmooserweg, der vom Stadtpark zur Hintausstraße hinunter führt wird von der älteren Bevölkerung noch heute als „Kinoweg“ bezeichnet. Vollkommen zurecht, stand doch das Kino einst an der Kreuzung des Perlmooserweges mit der östlichen Hintausstraße. Das Kino, auch „Lichtspiele“ genannt, wurde von Baumeister Friedrich Sollak sen. (*1876-1936) und dessen Sohn Friedrich (*1899-1967) im Frühjahr 1919 in deren Garten errichtet und auch selbst betrieben. Ein historisches Foto der Errichtungszeit zeigt, dass der Kinosaal mit einem Tonnengewölbe überspannt war, während die Leinwand mit einer illusionistischen Malerei umgeben wurde, die einem barocken Theatersaal nachempfunden war. Ein weiteres Foto wiederum gibt den Außenbau wieder, der im Gegensatz zum eher biederen Innenraum ganz auf der architektonischen Höhe der Zeit war. Die abgestufte, ganz glatte Fassade entsprach durch und durch der Architektur der „Neuen Sachlichkeit“.

Das Kino wurde im August 1919 mit dem deutschen Stummfilm „Höhenluft“ eröffnet, der von einer adeligen Liebesbeziehung handelte. In den Anfangsjahren waren Heinrich Ondraschek und Friedrich Sollak jun., genannt „Burschl“, die „Vorführoperateure“ hinter den Projektoren. Der Kriegsinvalide Hans Weber fungierte als Billeteur, an der Kassa saß Gisela Sollak, die Gattin von Friedrich sen., später auch Leopoldine, die Gattin von Friedrich jun. Bei den Stummfilmen gab es immer Klavierbegleitung vom Chef oder den Söhnen Fritz und Karl. Der jüngste Sohn Franz betreute das Stromaggregat und die Batterien für den elektrischen Strom. Zum Ärger der Besucher gab es immer Störungen der Stromversorgung während den Vorstellungen. Franz Sollak hatte auch die Aufgabe, die Filmrollen vom Bahnhof Mannersdorf abzuholen und Montag früh wieder zum ersten Zug zu bringen. Da die Sollaks passionierte Jäger waren, nannten sie ihr Mannersdorfer Lichtspielhaus „Hubertuskino“, also nach dem Patron der Waidmänner. Auch das Repertoire des Kinos spiegelte die Passion der Familie wider, so wurden später gerne Heimat- und Jägerfilme gezeigt.

In Wasenbruck wurde im Jahr 1921 ein neuer Theatersaal errichtet, der für die ersten Kinovorführungen genutzt wurde. Mit ihren Gründungsjahren 1919 und 1921 zählten das Mannersdorfer und das Wasenbrucker Kino zu den ältesten ihrer Art in der Region. In den 1920er-Jahren steckte die Filmbranche in Österreich noch in den Kinderschuhen, die Kinos bzw. Lichtspieltheater waren am Land noch selten. Die Kinozensur wurde erst 1926 aufgehoben, dennoch wurden ausländische Filme nur bedingt zur Aufführung freigegeben, um die heimischen Filmschaffenden zu unterstützen. Gezeigt wurden anfangs nur Stummfilme, denn der Tonfilm setzte sich erst um 1930 durch. Anfang der 1930er-Jahre wurde auch in Mannersdorf der erste Tonfilm gezeigt. Die erste Filmrolle war dabei mit Ton, die nächsten drei oder vier Rollen waren wieder „stumm“. Einer der ersten Tonfilme war „Atlantik“ und handelte vom Untergang der Titanic – in den Hauptrollen waren Willi Forst, Fritz Kortner, Gretl Theimer und Liane Haid zu sehen.

 

Die politischen Lager erkannten bald die Breitenwirkung des Kinos für sich, bereits im Ständestaat wurde das Programm der Kinos staatlich gelenkt und die Filmzensur wieder eingeführt. Aus Erzählungen der Großelterngeneration ist sicher, dass während der NS-Zeit, wie in allen anderen Kinos, auch in Mannersdorf und in Wasenbruck entsprechende Propagandafilme zur Aufführung kamen. Wie ein Foto zeigt, wurde der Mannersdorfer Kinosaal auch entsprechend „dekoriert“. Die Berichte der „Deutschen Wochenschau“, die im Zweiten Weltkrieg Teil der NS-Propagandamaschinerie wurden, gehörten ohnehin zum Kinoalltag. Die Kinos wurden zudem speziell gefördert, sodass der Besuch für die „breite Maße“ bewusst günstig gehalten wurde. Das Kino in Wasenbruck wurde noch bis März 1945 bespielt, danach führte wohl das Heranrücken der Alliierten zu einer Spielpause. So wurden die Kinos in Mannersdorf und Wasenbruck auch zu Zeugen der Zeitgeschichte und der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert.


Foto 1: Mannersdorfer Hubertuskino mit Kindern und seiner typischen Fassade von 1919 (Archiv Karl Trenker)

Foto 2: Baumeister Friedrich Sollak sen. (1876-1936) (Archiv Hans Amelin)

Foto 3: Baumeister Friedrich Sollak jun. (1899-1967) mit seiner Familie (Archiv Hans Amelin)

Foto 4: Kinosaal in Mannersdorf während seiner Errichtung 1919 (Archiv Karl Trenker)

Foto 5: Franz Sollak im Technikbereich (Archiv Hans Amelin)

Foto 6: Friedrich Sollak jun. am Projektor (Archiv Hans Amelin)

Foto 7: Projektoren im Maschinenraum, 1942 (Archiv Hans Amelin)

Foto 8: Kinosaal in der NS-Zeit (Archiv Hans Amelin)