Online-Gschichtl Nr. 77

Weihnachten bei den "Woi-Behm" - Von Quargeln, Nikolaus und Christbaumschmuck

Rechtzeitig vor den Weihnachtsfeiertagen darf ein nostalgischer Rückblick auf die Feierlichkeiten anno dazumal nicht fehlen. Johann Amsis erzählt uns in drei Teilen, wie die „Woi-Behm“, also die „Wollböhmen“ aus Wasenbruck, vor gut 60 Jahren Weihnachten gefeiert haben.

 

Ich habe mir überlegt eine Weihnachtsgeschichte von den Wasenbrucker „Woi-Behm“, aus den Tagen meiner Kindheit in den 1950er- bis 1960er Jahren zu schreiben. Ich nehme an, eine Weihnachtsgeschichte aus Mannersdorf würde sich genauso oder ähnlich anhören, wie die aus Wasenbruck. Wo fange ich also an, bei den Weihnachtseinkäufen, dem Christbaum, dem Krapferlbacken, hmmmm, nein bei den Quargeln! Quargeln und Weihnachten, „so ein Blödsinn“ wird schnell einer sagen, aber abwarten.

Jetzt muss ich etwas ausholen und die 1950er-Jahre in Erinnerung rufen, einen Eiskasten zu haben, die damalige Bezeichnung für den Kühlschrank, war in dieser Zeit nicht selbstverständlich. Die Frischhaltekühlung war zwischen den Fensterflügeln, wo außerhalb des Sommers Milch und Butter aufbewahrt wurden. Darum kam auch niemand auf die Idee, in der wärmeren Jahreszeit Quargeln zu kaufen, diese waren sozusagen ein Winteressen und damit beginnt meine Erzählung.

Bei uns im Wohnzimmer stand ein Holzkohleofen, der eine wohlige Wärme verströmte, das Holz knisterte und wenn der Wind in den Rauchfang fuhr, gab es mystische Geräusche. Ich blätterte gemütlich in meinen Fix-und-Foxi-Heften, Vater saß in der Küche und hat Zigaretten gestopft. Meine Mutter war einkaufen, um vier Uhr nachmittags hat ja der Konsum aufgesperrt, bis sie zurückgekommen ist, war es schon ziemlich finster.

„Heit gibt‘s mit Butter ohgschtaumpfte Quargln, mit an frischn Brot vom Schuach-Bäck und an guadn siaßn Gaugau“, hieß es dann. Wer Wasenbruckerisch, sprich Woi-Behmisch, nicht versteht, es ging um in Butter zerdrückte Quargel, Brot von der Bäckerei Schuch aus Reisenberg und einen heißen Kakao. Das Quargelbrot war ja kein Problem, aber auf einem Holzofen einen Kakao ohne Haut zu machen, hat schon Fingerspitzengefühl erfordert. So, am Küchentisch Platz genommen: „pfui do stinkt’s, des iss ih ned“. „Geh kost amoi, is guad“, wollte Mutter beschwichtigen. Ich ließ mich nicht erweichen, dann hat meine Mutter einen Trick angewandt: „waunst as kost, dama daun Vanillekipferl für Weinachten bochn“. Ich habe mich erweichen lassen und gekostet, schlecht woa des goa net. Die versprochenen Vanillekipferl hat sie natürlich an diesem Tagmit mir auch noch gebacken. Auf dem Holzofen wurde damals gebacken und gekocht, da war es gar nicht so einfach, die richtige Backtemperatur zu erwischen. Es ist auch oft etwas schief gegangen, darum kommt ja auch der Spruch der Damen: „Gö Mau isst eh gern brau“. Worauf die Herren geantwortet haben: „brau schau, owa ned schwoaz“. Mit einer Faschiermaschine wurde dann das Spritzgebäck gemacht, da durfte ich als Kind immer mitmachen. Auch die Vanillekipferl durften nicht fehlen. Die Nüsse wurden noch von Hand ausgelöst und mit einer Maschine gerieben.

Wenn der 6. Dezember näher rückte und die ersten Ansichtskarten von Michl Wurm, unserem Briefträger, gebracht wurden, war das Nikolausfest nicht mehr weit. Meine ersten Erinnerungen an das Fest sind die, dass die Kinderfreunde mit dem Nikolaus und dem Krampus von Haus zu Haus gingen, um die Kinder zu besuchen und ein Nikolaussackerl vorbeizubringen. Das war eine aufregende Sache, in späteren Jahren kamen die beiden dann ins Kinderheim, in den Hort oder auch in den Turnsaal, wo dieses Fest nun gefeiert wurde. Auch war es Brauch, dass aus dem Ort und aus den umliegenden Orten die „Krampaln“ kamen. Sie trieben dann ihr Unwesen, um die Kinder, besonders die größeren Mädchen, mit den Ruten und dem Kettenrascheln erschrecken.

Anders als heute, war in den 1950er- und 1960er-Jahren im September noch kein Lebkuchen in den Geschäften zu sehen. Weihnachtssachen und Dekorationen wurden frühestens Mitte November im Konsum angeboten. Es gab auch keine elektrische Weihnachtsbeleuchtung oder sonstigen Schnickschnack. Unsere Vorweihnachtsdekoration war meist nur Schnee, da konnte man das Gefühl von Weihnachten direkt spüren und riechen. Die Konsum-Filiale sperrte erst am Nachmittag auf und es wurde Zeit zum Einkaufen. Es schneite noch leicht und es wurde langsam finster, die ganze Landschaft war ordentlich mit Schnee bedeckt. Der Schlitten wurde hervorgeholt und meine Mutter zog mich mit ihm zum Konsum. Die Filiale hatte sich über Nacht in ein glitzerndes, duftendes Weihnachtsgeschäft verwandelt. Die „Christbamstickln“, der Baumbehang, war auf den Verkaufspulten einladend ausgestellt, die roten Nikolaus-und-Krampus-Sackerl lagen da und in einer anderen Schachtel waren Christbaumschmuck, Kerzen und Halter. Faszinierend glitzernden die silbernen und goldenen Girlanden und Christbaumketten.

Während der Adventzeit kaufte meine Mutter jeden Tag vier bis fünf Christbaumstücke, mit gefüllten Heller-Herzerln, Teddybären, Weihnachtszwergen und Schokoladetannenzapfen. Den Behang haben wir dann mit einem Schnürl aus der Fabrik verlängert, der große Abstand zwischen den Tannenbaumzweigen wurde damit ausgeglichen. So dichte Bäume wie heute konnte sich damals keiner leisten, das waren eher ruppige Fichten und Tannen, „Krautstaun“ würde man heute dazu sagen. Aber wenn unser Christbaum aufgeputzt war, war er für uns immer der schönste auf der ganzen Welt. Nicht zu vergessen die Zuckerlpapierl, damit wurden Stollwerkzuckerl oder kleine mit Schokolade überzogene Pfefferminzkugeln eingepackt. Diese Pfefferminzkugeln und die Windbäckerei verblieben am längsten am Baum. Mich zieht es heute noch alles zusammen, wenn ich nur an das Geräusch denke, das entstanden ist, wenn man in die Windbäckerei hineingebissen hat. Windbäckerei musste aber unbedingt auf dem Christbaum sein, weil die Vogerl sollten nach dem Entsorgen des Baumes auch noch ihr Weihnachten haben. Mir ist es aber nie gelungen ein Vogerl zu sehen, dass bei der Windbäckerei genascht hätte. Selbst die Stollwerkzuckerl waren nach vierzehn Tagen am Christbaum so hart, dass einem das Naschen vergangen ist. So wurde also Tag für Tag etwas gekauft und vorbereitet, die Freude auf Weihnachten wurde täglich größer.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Die berühmten Olmützer Quargel (Wikipedia, User Dezidor, CC BY 3.0)

Foto 2: Ein Ofen in einer (nachgebauten) Arbeiterwohnung im Stadtmuseum Traiskirchen (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 3: Der Nikolaus in Wasenbruck (Archiv Johann Amsis)

Foto 4: Beim Konsum wurde der Christbaumbehang gekauft (Archiv Johann Amsis)