Online-Gschichtl Nr. 79

Weihnachten bei den "Woi-Behm" - Zwischen Christkind und Weihnachtsmann

Im dritten und letzten Teil seiner Erzählungen über Weihnachten in Wasenbruck berichtet uns Johann Amsis diesmal über die Geschehnisse rund um den Heiligen Abend.

 

Weihnachten war in Wasenbruck eine besonders gesellige Zeit, so wurde im Kinderheim schon fleißig geübt und gebastelt für die Theateraufführung bei der Christbescherung. Diese fand am letzten Sonntag vor Weihnachten statt, wobei der Weihnachtsmann die Geschenke der Firma Hutter und Schrantz verteilte. Alle Kinder fieberten schon auf diesen Tag hin. Die Christbescherung war eine Sozialleistung der Firma, damit auch die Kinder der damals nicht so reichen Eltern ein Weihnachtsgeschenk bekamen. Ein bestimmter Geldbetrag wurde für jedes Kind bereitgestellt und die Eltern konnten ein Spielzeug für die Kinder aussuchen, dass der Weihnachtsmann dann persönlich übergab. Nicht nur die Kinder bekamen Geschenke, sondern auch die Erwachsenen in Form von Lebensmitteln, die sie sich sonst nicht so leicht leisten hätten können. Meist gab es einen Rollschinken oder Hendlhaxn, die oft für das Weihnachtsessen aufgehoben wurden. Für die Christbescherung studierte zu meiner Zeit im Kinderheim Tante Maria (Tobler) mit den Kindern ein kleines Theaterstück und Weihnachtslieder ein. Am großen Tag versammelte sich dann ganz Wasenbruck im Kinosaal, um bei dieser Feier dabei zu sein und das Strahlen der Kinderaugen zu sehen. Als die Aufführung vorbei war, kam er endlich (!), der Weihnachtsmann. Die Aufregung war groß, jedes Kind wurde einzeln aufgerufen, um sein Geschenk vom Weihnachtsmann persönlich zu erhalten. Bei einer dieser Christbescherungen hatte ich ein „schreckliches Erlebnis“, ich war vier oder fünf Jahre alt, alle Kinder hatten schon ihre Geschenke erhalten. Ich saß in der ersten Reihe und wartete, dass mich der Weihnachtsmann aufrief. Der dachte aber, dass er schon alle Packerl ausgeteilt hatte. Da fragte ich schüchtern: „Hod mih da Weihnochtsmau vagessn?“ „Uih“, er wendete seinen Kopf zum Gabentisch und da lag Gott sei Dank noch mein Paket – ein Matador-Set, das er mir sogleich übergab. Die Frage, ob Christkind oder Weihnachtsmann, hat sich dabei in Wasenbruck eigentlich nie wirklich gestellt. Wir hatten alles, das Christkind kam zu Hause am Heiligen Abend, der Weihnachtsmann erschien zur Christbescherung und mit den Musikanten am Heiligen Abend, wenn sie vor den Häusern Weihnachtslieder gespielt haben.

 

Dann war er endlich da, der 24. Dezember! Am Morgen wurde der Christbaum ins Kreuz geschlagen, ins Wohnzimmer gebracht und von meiner Mutter aufgeputzt, manchmal habe ich ja geholfen. Wenn der Baum fertig dekoriert war, wurde er mit einem Schnürl aus der Fabrik am Kasten und an der Wand mit einem Nagel befestigt, damit er nicht umfallen konnte. Wie schon erzählt, hatte fast niemand eine elektrische Beleuchtung für den Baum und so wurden Wachskerzen an den Zweigen befestigt. Einige Sternwerfer (Wunderkerzen) wurden am Baum verteilt, um erst bei der Bescherung angezündet zu werden. Während des Aufputzens bekamen wir immer wieder Besuch von meinen Tanten, die kleine Geschenke brachten und auch selbst welche bekommen haben – ein kleines „Kaffeetschal“ und ein bisschen Tratsch. Als kleine Geschenke gab es damals eine Strumpfhose, eine Duftseife, ein Fichtenschaumbad oder ähnliches.

 

Als nächstes sind wir mit dem Autobus nach Mannersdorf gefahren, um meine Großmutter abzuholen, die dann die Weihnachtsfeiertage bei uns verbrachte. In Mannersdorf gab es die erste Bescherung und das erste Packerl bei der Großmutter. Als nächstes gingen wir zum Grab meines Großvaters, was manchmal gar nicht so leicht war. Wie schon gesagt, gab es damals lange Minusgrade und auch jede Menge Schnee. Der Mannersdorfer Friedhof war fast nicht geräumt, das war eine Rutschpartie, dass einem Angst und Bang wurde. Eine Kerze am Grab des Großvaters angezündet und mit Vorsicht wieder zurück in die Wohnung am Schubertplatz. Mit dem Autobus fuhren wir am späten Nachmittag wieder nach Hause. Um 17:00 Uhr spielten sie im Radio das erste Mal „Stille Nacht, heilige Nacht“, da musste das Christkind mit dem Glöckchen schon bereitstehen. Die ersten Takte von „Stille Nacht“ erklangen und das Glöckchen läutete, ich durfte die Zimmertür öffnen. Der Christbaum erstrahlte in seinem Glanz und die Sternwerfer sprühten. Der Geruch der Kerzen, Sternwerfer und des Tannenbaumes erfüllte den ganzen Raum. Ein Weihnachtslied wurde gesungen, endlich ging es zum Auspacken der Geschenke. Ooooh schön, das Christkind hat eine Modelleisenbahn gebracht, einen Trix-Express, gebraucht, von den „Kersch-Buam“ – ich besitze die Bahn noch heute.

 

Punkt Sechs am Abend hörte man plötzlich eine Blasmusik vor dem Haus. Schnell anziehen, wir müssen raus, der Weihnachtsmann ist da. Vor dem Haus spielten sie ein Weihnachtslied und der Weihnachtsmann gab mir ein kleines Säckchen mit Christbaumstücken in die Hand. In Wasenbruck war es Tradition, dass sich drei oder vier Musikanten von der Blasmusik fanden, um mit dem Weihnachtsmann von Haus zu Haus zu gehen. Das war natürlich nicht ganz uneigennützig, da die meisten Eltern den Musikanten eine kleine Aufmerksamkeit oder ein Stamperl überreichten. Die Herren mussten deshalb sehr trinkfest sein, um überhaupt wieder nach Hause zu finden.

 

In unserer Familie war es Brauch, dass sich die ganze Familie nach der Bescherung bei der Wasenbrucker Großmutter traf, um ihr ein frohes Fest zu wünschen. So packten wir uns zusammen, um durch den Schnee zu waten, die Schneeflocken im Gesicht, ging es in den Ortskern. In den Fabrikshäusern brannten zwischen den Fensterflügeln überall Kerzen, um den verstorbenen Seelen zu Leuchten, damit sie zu Weihnachten den Weg nach Hause finden würden. Großmutters Wohnung war klein, mit Zimmer und Küche, an manchen Weihnachten waren aber bis zu 36 Leute hier. Für jedes ihrer Kinder und Enkelkinder hatte die Großmutter ein Geschenk, eine große Schokoladentafel, die mit einem goldenen Band und einem Tannenzweig dekoriert war. Jedes ihrer Kinder erhielt überdies fünfzig Schilling und jedes Enkelkind noch zwanzig Schilling. Das war für Großmutter gar nicht so leicht zu finanzieren, sie hatte ja nur eine kleine Rente, aber das Beschenken ihrer Liebsten ließ sie sich nicht nehmen. Nach einiger Zeit ging es wieder zurück zum eigenen Christbaum.

 

 

Die Weihnachtsfeiertage wurden mit gutem Essen, Besuchen, Spielen mit den Kindern und Weihnachtsspaziergängen verbracht. Ich hoffe, meine Erinnerungen an Weihnachten aus den 1950er- und 1960er-Jahren haben die Älteren an ihre Jugend erinnert und die Jungen daran, dass sie mit ihren Kindern auch so feiern, dass sich die Kleinen in fünfzig oder sechzig Jahren auch noch so schön an Weihnachten erinnern können!


Foto 1: Christbescherung in Wasenbruck (Archiv Johann Amsis)

Foto 2: Auf die Packerl, fertig, los ... (Archiv Johann Amsis)

Foto 3 und 4: Der originale, legendäre Trix-Express aus Kindertagen (Johann Amsis)