Online-Gschichtl Nr. 80

Albert Schatek und der Filadroniweg

Im heutigen Online-Gschichtl wirft Heribert Schutzbier einen interessanten Blick auf die Mannersdorfer Ortsgeschichtsschreibung der Zwischenkriegszeit und wie sich Albert Schatek – der berühmte „Oberst Schatek“ – mit der Herkunft lokaler Ortsbezeichnungen auseinandersetzte.

 

In der Zwischenkriegszeit gab es in Mannersdorf drei Persönlichkeiten, die sich intensiv mit der Erforschung der Ortsgeschichte beschäftigten. Sie waren Oberst Albert Schatek (1879-1948), Lehrer Hans Kopf (1896-1967) und Lehrer Alois Schutzbier (1901-1956), mein Vater. Viele ihrer Forschungsergebnisse wurde auch publiziert. Natürlich kamen die drei Herren auch immer wieder zusammen, um über ihre Forschungen zu diskutieren. Nicht immer waren sie gleicher Meinung, konnten sich aber meist bald wieder einigen. Wenn die verschiedenen Theorien die Gespräche zu sehr in die Länge zogen, stand Schatek schließlich auf, erläuterte nochmals ausführlich seine Version und schloss mit den Worten: „Meine Herren, so war es!“ – damit war die Diskussion dann auch beendet.

Da Oberst Schatek berufsbedingt nicht ständig in Mannersdorf wohnte, kam es zwischendurch zu interessanten Briefwechseln zwischen den Protagonisten. Einer dieser Briefe aus dem Jahr 1931 von Schatek an meinen Vater ist erhalten geblieben. In der Beilage zu diesem Brief erklärt Schatek die etwas merkwürdig klingenden Flur- und Ortsbezeichnungen „Filadroniweg“ und „Legurfa“. Auf die Herkunft des Begriffs „Legurfa“ ist ja bereits Michael Schiebinger bei seinem Beitrag zur Hochleiten eingegangen. Da mich interessierte Mannersdorferinnen und Mannersdorfer immer wieder fragen, warum der „Filadroniweg“ so heißt und woher dieser eigenartige Name wohl kommen könnte, möchte ich daher diesmal Albert Schatek selbst zu Wort kommen lassen – also hören wir, was uns dieser zu berichten hat.

„Schmal wie ein Faden schlängelt sich der Fußpfad der diesen geheimnisvollen Namen führt, durch das Buschwerk des Waldrandes zwischen der Kirche und der Kalkofenruine [ehem. Kopf-Kalkofen an der Steinbruchstraße] dahin“, beginnt Schatek seine Ausführungen zum Filadroniweg. „Er ist eigentlich ein Saumweg auf einer kaum zwei Meter breiten, an die Berglehne geklebten Mauerterrasse, die die Weingärten vom Walde scheidet, und so schmal, dass eines hinter dem andern gehen muss; ein Faden also, der wie achtlos hingeworfen zwischen Kirche und Kalkofen im Buschwerk liegt. Seine Gestalt und sein Ausgangspunkt, die auffallend länglich gebaute Pfarrkirche am Bergfuße, gaben ihm seinen rätselvoll scheinenden Namen, den einst eine gelehrte Spielerei geprägt hatte. ‚Filadronika‘ heißt er heute; bei seiner Taufe hieß er aber ‚Fila dromikan‘ und ein Italiener und ein Grieche standen Pate. Aus dem Italienischen stammt der erste Teil des Namens, ‚fila‘ (‚Faden‘) und aus dem Griechischen der zweite ‚dromikan‘, die Bezeichnung für eine länglich gebaute Kirche“, so Schatek weiter. „Der Name dürfte in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts entstanden sein, als das Steinmetzgewerbe in voller Blüte stand und viele Italiener, einfache Arbeiter wie Bildhauer, in Mannersdorfer Steinbrüchen für die damals im Entstehen begriffene Wiener Ringstraße arbeiteten. Damals hatte auch noch der Mannersdorfer Wein guten Ruf und hinter den Kellern ‚Zwischen den Weingärten‘ – an der ‚Filadronika‘ – wo Tische und Bänke standen, dürfte es nach Feierabend oft lustig zugegangen sein, wenn sich das arbeitsmüde und durstige italienische Steinmetzvölkchen beim kühlen Wein zusammengefunden hatte. Diese Zeiten sind nun längst vorüber, niemand erinnert sich mehr an das lustige Treiben in den verschwundenen Buschenschenken, aber der Name des in die Weingärten führenden Weges lebt – wenn auch etwas verändert – unaustilgbar im Volke weiter“, wie Schatek konstatierte. „‚Filadronika‘ hört man indes ziemlich selten, ‚Filadronik‘ häufiger. Aber auch ‚Filidronet‘ und ‚Filidroni‘ ist zu vernehmen; lauter Verunstaltungen, die sich im Laufe der Zeit, besonders wenn es sich um unverstandene Namen handelt, von selbst ergeben“, wie Schatek seine Worte vom 8. März 1931 schloss.

 

Albert Schateks Namenstheorie ist nun bald 90 Jahre alt, sie scheint aber immer noch plausibel zu sein – jedenfalls hat sich bisher niemand gefunden, der eine andere Erklärung für den Namen des „Filadroniweges“ parat gehabt hätte.


Foto 1: Ausschnitt aus dem Brief von Albert Schatek zur "Legurfa" und zum "Filadroniweg", 1931 (Archiv Heribert Schutzbier)

Foto 2: Unterschrift von Albert Schatek in seinem Brief, 1931 (Archiv Heribert Schutzbier)

Foto 3: Der Filadroniweg mit dem Kopf-Kalkofen, um 1905 (Archiv Heribert Schutzbier)

Foto 4: Die Einmündung des Filadroniweges in die Steinbruchstraße bzw. "Weiße Straße" (Archiv Heribert Schutzbier)