Online-Gschichtl Nr. 83

Bürgermeister Franz Zerzawy - Von Mannersdorf nach Wiener Neustadt

Im zweiten Teil des Online-Gschichtls berichtet Michael Schiebinger diesmal über den weiteren Lebensweg von Franz Zerzawy.

 

In Mannersdorf hatte sich 1918 die politische Lage deutlich verändert. Franz Parrer war der letzte Bürgermeister während der Monarchie und noch ein Vertreter des christlich-sozialen Lagers gewesen. In der jungen Republik und unter den Vorzeichen des nun gleichen Wahlrechts konnten sich die Sozialdemokraten 1919 mit 13 Mandaten als stimmenstärkste Fraktion etablieren und so fungierte zunächst Alexander Seracsin als Bürgermeister von Mannersdorf. Weitere wichtige Vertreter der Sozialdemokratie waren damals der Gastwirt Josef Stahl, der Lehrer Josef Haidn und Josef Kopetzy. Gut möglich, dass Zerzawy über seinen Lehrerkollegen Haidn in die Lokalpolitik kam. Im Jahr 1920 war Franz Zerzawy auch als Chormeister des Mannersdorfer Männergesangsvereins tätig. Er hatte nach dem Ersten Weltkrieg die Vereinsmitglieder wieder zusammengeholt und die Tätigkeiten des Gesangsvereines neu belebt. Sein Weg in die Kommunalpolitik könnte folglich ebenso im Vereinsleben seinen Anfang genommen haben. Und auch das private Glück stellte sich bei Zerzawy nochmals ein, im Mai 1921 kam Tochter Marianne zur Welt.

Bereits im April 1921 fand die nächste Gemeinderatswahl statt, die Sozialdemokraten erhielten nun sogar 15 Mandate. Zwischenzeitlich schien der damals 35-jährige Franz Zerzawy in der Mannersdorfer Sozialdemokratie fest verwurzelt gewesen sein und stieg zu hohen Ehren auf. Zerzawy wurde nach der Wahl zum Nachfolger von Seracsin gekürt. Die Amtszeit von Zerzawy als Bürgermeister von Mannersdorf dauerte aber nicht besonders lange und so konnte er wohl auch keine wesentlichen politischen Akzente setzen. Noch in der laufenden Gemeinderatsperiode übernahm Josef Haidn 1922 das Amt des Bürgermeisters.

Unklar ist vorerst, was zum raschen Wechsel im Bürgermeisteramt führte, entweder fehlte es Zerzawy am nötigen Rückhalt in seiner Partei oder es lag an seinem beruflichen Aufstieg. Denn der Lehrer aus Mannersdorf wurde bald zum Bezirksschulinspektor für Bruck an der Leitha ernannt. Als im Jänner 1926 das neu eingerichtete Mannersdorfer Elektrizitätswerk mit einer „Lichteröffnungsfeier“ eingeweiht wurde, befand sich Altbürgermeister Franz Zerzawy in seiner nunmehrigen Funktion als Bezirksschulinspektor unter den Ehrengästen. Wenig später wechselte Zerzawy ins benachbarte Burgenland, wo er im Juni 1927 zum Bezirksschulinspektor von Mattersburg ernannt wurde. Am 11. September 1931 verlieh Bundespräsident Wilhelm Miklas Franz Zerzawy, damals noch immer in Mattersburg tätig, den Titel „Regierungsrat“. Obwohl Franz Zerzawy Sozialdemokrat war, durfte er offenbar auch während der Ständestaatdiktatur in seinem Amt verbleiben, da er 1937 und Anfang 1938 als Bezirksschulinspektor von Oberpullendorf aufscheint. Zerzawys weiterer Lebensweg lässt sich aber vorerst nicht genauer nachvollziehen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialismus wurde auch die Schulverwaltung gleichgeschaltet und politisch nicht genehme Beamte entlassen oder in den Ruhestand versetzt. Zerzawy könnte als Sozialdemokrat daher seine Position als Bezirksschulinspektor verloren haben. Zumal sich auch die Verwaltungsstrukturen änderten und das Burgenland aufgelöst und auf die Steiermark und „Niederdonau“ aufgeteilt wurde. Zerzawy dürfte mit seiner Familie nach Wiener Neustadt übersiedelt sein, denn 1941 heiratete dort seine Tochter Marianne und 1952 dann Tochter Gertrud Auguste. Die Stadt dürfte wohl zum Familienmittelpunkt geworden sein.

 

Von Franz Zerzawy ist in Mannersdorf wenig geblieben, wie etwa sein Bürgermeisterporträt, das Edmund Adler angefertigt hatte. Der Porträtierte ist mit einem gütigen Blick wiedergegeben, Zerzawy erinnert am Gemälde gar ein wenig an Lenin. Das Werk könnte 1957 gleichzeitig mit Adlers Porträts der Bürgermeister Gottschy, Karpf und Pretsch entstanden sein. Es war nicht das erste Bürgermeisterporträt von Zerzawy. Zwei Aufnahmen des Sitzungssaales im Alten Rathaus, die um 1929 und nach 1934 entstanden waren, lassen ein anderes Porträt von Zerzawy erkennen, das mit einer Beschriftung eindeutig als solches ausgewiesen wird. Zerzawy war auf dem Gemälde noch jünger, er wurde mit einem langen schwarzen Bart und einem Mantel dargestellt. Dieses ältere Gemälde ist folglich später durch das jüngere Werk von Adler ersetzt worden. Der Grund dafür scheint rätselhaft, vielleicht wurde Zerzawys älteres Porträt während der NS-Zeit aus politischen Gründen entfernt und verschwand oder die Qualität des älteren Werkes entsprach in den 1950-Jahren nicht mehr den Ansprüchen. Sollte Adler sein Werk erst 1957 und nicht einige Jahre früher geschaffen haben, so musste er dies nach einer Fotovorlage machen. Franz Zerzawy war nämlich bereits am 3. September 1953 in Wiener Neustadt verstorben, wo er offenbar auch seinen Lebensabend verbracht hatte. 


Foto 1: Die Mannersdorfer Sozialdemokraten zu Beginn der 1920er-Jahre mit Josef Haidn (2. Reihe sitzend, Vierter von links) und sein Vorgänger Franz Zerzawy (2. Reihe sitzend, Vierter von rechts) (Archiv Karl Trenker)

Foto 2: Bruck an der Leitha in der Zwischenkriegszeit, hier war Franz Zerzawy zunächst Bezirksschulinspektor (ÖNB/AKON, AKON_AK033_501)

Foto 3: Mattersburg 1926, Zerzawys nächster Dienstort als Bezirksschulinspektor (ÖNB/AKON, AKON_AK039_456)

Foto 4: Oberpullendorf, hier war Zerzawy in den 1930er-Jahren Bezirksschulinspektor (ÖNB/AKON, AKON_AK061_071)

Foto 5: Wiener Neustadt 1938, hier verbrachte Zerzawy offenbar seinen Lebensabend (ÖNB/AKON, AKON_AK040_347)

Foto 6: Bürgermeisterporträt von Franz Zerzawy, um 1957, Edmund Adler (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 7: Ansicht des Sitzungssaales im Alten Rathaus aus dem Jahr 1929, im Hintergrund ist das ältere, erste Bürgermeisterporträt von Franz Zerzawy zu sehen (Tätigkeitsbericht des Gemeinderates 1929)