Online-Gschichtl Nr. 107

Bürgermeister Franz Ludescher - Mannersdorf im Umbruch

Im zweiten Teil des Online-Gschichtls widmet sich Michael Schiebinger der weiteren Lebensgeschichte von Bürgermeister Franz Ludescher.

 

Ende der 1870er-Jahre verliefen die Ereignisse in der Familie Ludescher nun endlich zur Zufriedenheit der Eltern. Wie Albert Schatek später berichtete, hatte sich der aus Tyra/Třinec in Mährisch-Schlesien zugezogene Apotheker Paul Tacina in Franz Ludeschers älteste Tochter Aloisia („Luise“) verliebt, die diese Zuneigung aber nicht erwiderte. Tacina wohnte damals bei der Familie Gottschy im Nachbarhaus der Ludescher und so fiel sein Blick letztlich auf die jüngste Tochter der Kaufmannsfamilie. Barbara („Betty“) Ludescher dürfte der junge Apotheker ebenso gefallen haben, da sie mit Paul Tacina im November 1879 die Ehe einging. Das junge Paar bekam bald Nachwuchs und wohnte zunächst im Ludescherhaus. Schatek führte weiter aus, dass sich Tacinas Schwiegermutter, also Franziska Ludescher, offenbar ständig in die Belange der jungen Familie einmischte. Selbst Franz Ludescher konnte seine Gattin nicht bremsen und so gab er seinem Schwiegersohn 6000 Gulden, dass sich dieser ein eigenes Haus errichten konnte. Paul Tacina erwarb ein altes Bauernhaus an der Kreuzung bei der Wienerstraße, ließ es abbrechen und von einem Wiener Baumeister das schöne Gründerzeithaus errichten – bekanntlich ist dort noch heute die von Tacina gegründete Apotheke untergebracht.

Die verschiedenen Brände des 19. Jahrhunderts führten auch in Mannersdorf zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr. Es fanden sich einige lokale Honoratioren, darunter auch Ludeschers Bruder Karl und sein Schwiegersohn Paul Tacina, zusammen, um die Gründung einzuleiten. Am 16. Dezember 1881 wurden die Statuten der Feuerwehr vom Gemeindeausschuss unter Bürgermeister Franz Ludescher angenommen. Im Jänner 1882 stimmte auch die Statthalterei zu und so konnte die offizielle Gründung erfolgen – Franz Ludescher wurde natürlich einer der Feuerwehrfunktionäre. 1882 nahm der Bürgermeister an einer überregionalen Pferde- und Landwirtschaftsmesse in Bruck teil, wo er selbst landwirtschaftliche Geräte ausstellte. Im selben Jahr wurde in Wasenbruck die Filztuchfabrik gegründet und alsbald von Hutter und Schrantz übernommen. Mit der Gemeinde gab es aber zunächst Streitigkeiten beim Ankauf der Hutweidegründe für den Fabriksausbau.

1883 hatte dann Ludescher mit seinem Kaufmannslehrling im Geschäft zu kämpfen. Der Kleinhäuslersohn Anton Gabriel war schon zweieinhalb Jahre bei Ludescher in der Lehre, jung und ungestüm wollte er aber in die große weite Welt hinaus. Gabriel stahl von seinem Lehrherrn Zigaretten und Lebensmittel, um dafür endlich entlassen zu werden. Aber aus der Freiheit wurde nichts, wie ein Zeitungsartikel berichtete, denn Gabriel hatte seinen Lehrherrn Ludescher auch um Bargeld gebracht und so musste der geständige „Übeltäter“ zwei Monate im Kerker absitzen.

Im Jahr 1883 wurden unter Bürgermeister Ludescher 14 Laternen zur Straßenbeleuchtung des Marktes angekauft und auf der Gemeindewiese wurde ein Eislaufplatz errichtet. Bei den Landtagswahlen 1884 unterstützte Ludescher mit anderen Bürgermeistern aktiv die Kandidatur des Abgeordneten Joseph Fischer. Der Mannersdorfer Bürgermeister dürfte also auch gute Kontakte zur Landespolitik gepflegt haben.

Unter Ludeschers Amtszeit konnte am 5. Jänner 1884 die Lokalbahn von Schwechat nach Mannersdorf eröffnet werden. Somit hatte der Markt einen Bahnanschluss erhalten, der für die weitere wirtschaftliche Entwicklung wichtig war. Im Folgejahr führte dann der große Ortsbrand zu schweren Schäden im Markt und den Vororten. 1886 bemühte sich die Gemeinde wiederum um die Möglichkeit, jeden Mittwoch einen Wochenmarkt abhalten zu dürfen. Auch wurde nun das Schulhaus mit Steinkohle beheizt und 1887 eine neuerliche bauliche Erweiterung vorgenommen.

Im Jahr 1888 wurde von der Gemeinde zum 40. Regierungsjubiläum des Kaisers eine Stiftung eingerichtet, aus der zwei arme Familien jährlich zu Weihnachten Zuwendungen erfahren sollten. Im selben Jahr musste die Gemeindeführung an anderer Stelle die Reißleine ziehen, denn der mit 500 Gulden äußerst einträglich entlohnte Posten des Gemeindesekretärs führte zu finanziellen Schwierigkeiten. Der Gemeindesekretär wurde daher entlassen und sein Posten um 350 Gulden Jahresgehalt neu ausgeschrieben. Die Entlohnung war offenbar weiterhin so gut, dass die Bewerber mehrheitlich von auswärts kamen.

Ludescher blieb bis 1888 im Amt, danach kam es zu einem Wechsel an der Gemeindespitze und Josef Schuch wurde Bürgermeister. Vielleicht musste Ludescher auch wegen der Angelegenheit mit dem Gemeindesekretär zunächst auf sein Amt verzichten. Nach Josef Schuchs erster Amtszeit, diese betrug damals regulär immer nur drei Jahre, kehrte Franz Ludescher 1891 noch einmal in das Bürgermeisteramt zurück. Bei der nächsten Gemeindeausschusswahl 1894 trat dann Ludescher kein weiteres Mal an, der 67-Jährige dürfte sich wohl aus Altersgründen aus der Gemeindepolitik zurückgezogen haben – Josef Schuch übernahm abermals das Bürgermeisteramt. Ganz aufgeben wollte Ludescher aber seine politische Tätigkeit dann doch nicht, denn als „Privatier“ wurde er im Dezember 1894 in den Bezirksschulrat von Bruck an der Leitha gewählt.

 

Franz Ludescher verstarb am 6. Dezember 1896 in seinem Haus im Alter von 69 Jahren an Herzschwäche. Der ehemalige Bürgermeister und Kaufmann wurde zwei Tage danach am Mannersdorfer Friedhof beigesetzt.


Foto 1: Bürgermeisterporträt von Franz Ludescher (Karl Trenker)

Foto 2: Freiwillige Feuerwehr Mannersdorf, 1882 unter Ludescher gegründet (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Filztuchfabrik in Wasenbruck, ebenfalls 1882 gegründet (ÖNB/AKON, AK008_085_1906)

Foto 4: Bahnhof Mannersdorf, 1884 wurde unter Ludescher die Lokalbahn Schwechat-Mannersdorf eröffnet (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)