Online-Gschichtl Nr. 113

Die Wasenbrucker Schulgeschichte - Von der "Einschicht" zur Arbeitersiedlung

Heute wissen es wohl nur noch die Schulkinder von einst, in Wasenbruck hat es lange Zeit eine eigene Schule gegeben – Johann Amsis berichtet nun in zwei Teilen über die Wasenbrucker Schulgeschichte, die mit der Entwicklung der „Einschicht“ zur Arbeitersiedlung einherging.

 

Als ich überlegte, welche Geschichte ich als nächstes angehe, ist mir ein altes Klassenfoto in die Hände gefallen – unsere Schule tat sich schnell als interessantes Thema auf. Ich war ja einer jener Schüler, die lieber raus als rein in die Klasse gegangen sind. Wenn damals eine Pandemie aufgetreten wäre und mir jemand gesagt hätte, ich müsste zwei Monate nicht zur Schule gehen, hätte ich sicher gesagt: „Wos, nua so kuaz?“. Mir ist es aber trotzdem gelungen, ohne größere Anstrengungen, im Mittelfeld meiner Lernerfolge mitzuschwimmen. Dass ich aber jemals Geschichten erzähle und diese auch jemand lesen will, auf diese Idee wäre ich nie im Leben gekommen!

Ich habe mich entschlossen, chronologisch ganz von Anfang zu beginnen, um das Jahr 1737, als Maria Theresia mit ihrem Wagen von oder nach Mannersdorf fuhr und bereits die Wasenbrücke, eine einfache Holzkonstruktion, passieren konnte. Da diese Brücke von den Schmugglern gerne genutzt wurde und es sich bis in die Verwaltung rumgesprochen hatte, wurde dort ein k. u. k. Finanzwachgebäude errichtet, das bis 1852 das einzige Haus bei der Wasenbrücke war. Zwischen 1830 und 1836 wurde die Leitha reguliert, zu dieser Zeit oder einige Jahre später entstand bei Wasenbruck die Verlängerung des Trautmannsdorfer Werkskanals, wodurch erstmals die Möglichkeit geschaffen wurde, die Wasserkraft für eine Mühle zu nutzen. Müllermeister Jakob Kornmüller hat diese Chance erkannt und errichtete im Jahre 1852 am linken Ufer eine Mühle, 1855 folgte eine zweite am rechten Ufer. Die hier wohnenden Familien Kornmüller und Klimpke hatten auch zahlreiche Kinder, die eingeschult werden mussten. Jakob Kornmüller hat sich viele Gedanken gemacht, in welche Schule und in welche Kirche seine Enkelkinder gehen sollen. Die linke Mühle gehörte ja zur Gemeinde Reisenberg, die rechte hingegen nach Mannersdorf. Alles nicht so einfach, wenn man zu Fuß gehen musste: nach Reisenberg 2,5 Km, nach Mannersdorf 4,5 Km und nach Pischelsdorf 2 Km. Die Überlegung von Kornmüller war, wenn die Kinder nach Reisenberg gingen, dann blies ihnen meist der kalte Nordwind entgegen. Nach Mannersdorf war es ebenfalls nicht besser und außerdem um einiges weiter. So entschloss er sich, die Schule und die Kirche in Pischelsdorf zu favorisieren, da dieser Weg durch den Auwald der Leitha recht gut geschützt war. Mit dieser Ansicht setzte er sich bei den zuständigen Behörden durch und so stand einer Einschulung nach Pischelsdorf nichts mehr im Wege. Mit 19. Februar 1856 wurden die Mühlen dem Pfarr- und Schulsprengel von Pischelsdorf zugewiesen.

1862 wurde der Mühlenbesitz geteilt, die linke Mühle bekam Sohn Mathias Kornmüller, die rechte Mühle bekam Schwiegersohn Karl Klimpke mit seiner Anna. 1882 verkaufte Mathias die linke Mühle an die Erste belgisch-österreichische mechanische Filztuchfabrik, die hier einen Produktionsstandort errichtete. Die neue Fabrik benötigte viele Arbeiter, diese kamen aus den umliegenden Kronländern, um hier eine neue Existenz zu gründen. In der Au und auf der grünen Wiese konnten sie nicht wohnen, daher musste schleunigst Wohnraum errichtet werden. 1883 wurde daher das erste Arbeiterwohnhaus, das A-Gebäude bzw. Altgebäude, in der heutigen Windgasse hochgezogen. Bald begann es bei den Betreibern zu kriseln, sodass die Fabrik 1884 von der Firma Hutter und Schrantz übernommen wurde.

Da die Wasenbrucker Arbeiterfamilien kinderreich waren, bekam das die Pischelsdorfer Schule zu spüren und platzte aus allen Nähten. So entschloss man sich 1889 die Kinder nach Mannersdorf „auszuschulen“. Die Auftragslage der Fabrik entwickelte sich gut und die Produktion wurde immer stärker erweitert. Um mehr Arbeiter ansiedeln zu können, wurde 1892 das zweite Arbeiterwohnhaus, das B-Gebäude bzw. Wirtsgebäude, an der Hauptstraße errichtet. 1895 folgte das dritte Arbeiterwohnhaus, das C-Gebäude oder Konsumgebäude, ebenfalls an der Hauptstraße. 1903 kam das vierte Arbeiterwohnhaus, das D-Gebäude oder Trafikgebäude, in der Windgasse dazu. Da es dann in Wasenbruck noch mehr Kinder gab, hatte die Fabriksleitung um die Einrichtung einer eigenen Schule im Ort angesucht – mit 2. Dezember 1903 wurde diese tatsächlich bewilligt.

Ein Artikel im Bezirksboten vom 24 Jänner 1904 berichtete darüber: „Die Firma Hutter u. Schranz, welche auf der zu Mannersdorf gehörigen Einschicht ‚Wasenbruck‘ eine umfangreiche Fabriksanlage für Filztucherzeugung besitzt, strebt für die schulpflichtigen Kinder ihrer zahlreichen Arbeiter die Errichtung einer eigenen Schule an. Nachdem die vom n.ö. Landesschulrate, beziehungsweise vom Landesausschusse gemachten Schwierigkeiten überwunden sind, ist die Errichtung der angestrebten Schule gesichert. Mittwoch den 20. d. M. fand bereits die behördliche Baukommission statt, so dass beim Eintritt der günstigeren Jahreszeit mit dem Bau begonnen werden kann. Diese Schule wird für die Wasenbrucker Kinder, welche bisher einen Weg von 3-4 KM, zur Schule hatten, eine große Wohltat und für die Mannersdorfer Schule, welche an der Überfüllung einzelner Klassen leidet, eine langersehnte Entlastung sein. In der letzten Gemeindeausschuss-Sitzung wurden für die nächste sechsjährige Funktionsperiode folgende Herren in den Ortsschulrat entsendet: Gemeindearzt Dr. Karl Rosenthal, Bürgermeister Josef Schuch, k. k. Postmeister Hans Schäffer, Gemeinderat Johann Kopf, Kaufmann Anton Zwerger und die Wirtschaftsbesitzer Johann Wenz Nr. 89 und Franz Karanitsch.“

Mit Beginn der wärmeren Jahreszeit wurde das Schulgebäude an das B-Gebäude (Wirtsgebäude) angebaut, die Schule konnte am 30. Oktober 1904 als Ganztagsschule eröffnet werden. Michael Maierhofer war der erste Schulleiter und amtierte bis 1912. Die Schule hatte sich rasch etabliert, sodass noch 1905 ein eigener Schulgarten angelegt wurde. Am 22. September 1906 wurde der Halbtagsunterricht für die Wasenbrucker Schule genehmigt und eingeführt. Aufgrund der guten Auslastung der Fabrik wurden weiterhin Arbeiter gebraucht, sodass weitere Familien nach Wasenbruck zogen und 1912 das fünfte Arbeiterwohnhaus, das E-Gebäude oder Neugebäude, an der Hauptstraße errichtet wurde. Im selben Jahr übernahm Karl Wimmer die Leitung der Wasenbrucker Schule, die er bis 1926 innehaben sollte.

Während des Ersten Weltkrieges herrschte überall Mangel, so war auch keine Kohle zum Heizen der Schule vorhanden. Da alles für die Rüstungsindustrie reserviert war, musste auch die Wasenbrucker Schule im strengen Winter 1917/18 wegen Kohlenmangels viereinhalb Monate geschlossen bleiben. Im Winter 1918/19 wurde es nicht besser und die Schule blieb daher wiederum zwei Monate lang geschlossen.

Noch während des Krieges war die Schülerzahl auf über 100 angestiegen, die Folge waren ständige Raumprobleme – ein Viertel der Kinder sprach zudem eine andere Muttersprache als Deutsch. Ab dem Schuljahr 1919/20 wurde zwar zweiklassig unterrichtet, der Platzmangel in der Schule blieb aber bestehen. In den Jahren 1919 bis 1921 wurden daher der Theatersaal und die „kleine Schule“ an das C-Gebäude (Konsumgebäude) angebaut sowie als mehrstufige Volksschule mit je einem Klassenraum, einem Lehrmittelzimmer und zwei Klosettanlagen eingerichtet. Aufgrund der großen Schüleranzahl müssen schon provisorisch Klassen in dem noch nicht komplett fertiggestellten Bau unterrichtet werden. Um den Begriff der „kleinen“ und der „großen Schule“ zu klären: „groß“ und „klein“ hat nichts mit der Größe des Klassenraumes zu tun. Die Unterscheidung hat sich im Sprachgebrauch der Wasenbrucker so eingebürgert, weil in der „kleinen Schule“ die „kleinen“ Kinder (1.-3. Schulstufe) gemeinsam unterrichtet wurden, während die „großen“ Kinder (4.-8. Schulstufe) in der „großen Schule“ untergebracht waren – bis zur NS-Zeit bestand ja keine Trennung in Volks- und Hauptschule.

Im Jahr 1922 wurde der Theatersaal feierlich eröffnet, im gleichen Jahr wurde auch ein Brausebad hinter dem D-Gebäude am Rand des Parks errichtet. Um auch einen eigenen Arzt im Ort zu haben, wurde an der Stirnseite des D-Gebäudes ein „Ambulatorium“ angebaut. 1923 folgte ein eigenes Totenhaus und auch die Parkvilla (F-Gebäude) entstand. Wasenbruck war so zu einer richtigen Siedlung samt Infrastruktur herangewachsen.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Die Wasenbrucker Schulkinder 1919 (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 2: Wasenbruck mit der "Großen" und "Kleinen Schule" an der Hauptstraße, 1962 (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 3: Die zweistufige Schule von Wasenbruck (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 4: Ein weiteres Klassenfoto aus den 1920er-Jahren (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 5: Im Klassenzimmer, 1926 (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)