Online-Gschichtl Nr. 93

Arbeiterball in Wasenbruck

Rechtzeitig vor dem Höhepunkt des Faschings, der corona-bedingt so gar nicht zu spüren ist, nimmt uns Johann Amsis zumindest gedanklich mit zur örtlichen „Dreifaltigkeit des Ballgeschehens“ und wird uns in drei Teilen über die Wasenbrucker Faschingsbälle von einst berichten.

 

Als die gar so stille Zeit endlich vorüber war, wurde mit freudigen Erwartungen das Faschingswochenende herbeigesehnt. Am Faschingssamstag fand in Wasenbruck alljährlich der Arbeiterball, am Faschingssonntag der Kindermaskenball und am Faschingsdienstag dann der Lumpenball statt. Am Aschermittwoch war noch das Faschingsverbrennen, in späteren Jahren hat sich die Tradition geändert und die Kinderfreunde veranstalteten am Aschermittwoch einen Heringsschmaus und die Hobbysportler einen Faschingsumzug.

Am Faschingssamstag wurde also der Arbeiterball veranstaltet, der war wie der Silvesterball ein „Nobelball“. Die Damen gingen mit langen, oft schulter- und rückenfreien Kleidern, kleine „Nerzjäckchen“ und hohen Stöckelschuhen, dass es beim Gehen nur so klapperte. Die Herren im Anzug und Krawatte mit den „Milanobock“, wo die Spitzen der Schuhe nicht viel dicker waren, als die Absätze der Damen. Also schauen wir, wie ein solcher Ballabend abgelaufen ist. Ähnlichkeiten und Begebenheiten sind rein zufällig und haben sich wahrscheinlich in vielen Orten in Niederösterreich, so oder so ähnlich abgespielt. Manche Namen sind real, anderes wurde etwas der Phantasie entnommen, also kommen Sie einfach mit!

„Wos moch mah am Saumstog, schau mah sie bei deina Mama ‚Mainz bleibt Mainz‘ im Fernseh au, oda gema am Bäu?“, war sicher nur eine rhetorische Frage. „Waun die Urli auf die Kinda aufpasst, gema am Bäu“, hieß es da. Die Uroma hat natürlich ja gesagt, weil sie die Kinder sehr gerne hatte. Mit den Kleinen konnte sie bei einem Abendspaziergang zudem noch ganz zufällig und heimlich beim Ballsaal reinschauen.

Die Dame des Hauses saß dann am Tag des Balles mit der Brennschere, um ihre Haare einzudrehen und zu toupieren. Der Herr des Hauses sagte derweil: „Ih iß noh ah Dosn Sadinen, damit ih a guade Unterlog hob!“ Zum Herrn, der schon fertig angekleidet war, gab es dann den Ratschlag: „Nimm da an Fetzn und hoid dan vua, dass die ned aupotzt, des kaunst jo guad. Des aundere weiße Hemad is ned begelt!“ Es ist dann gut gegangen, das Hemd ist weiß und sauber geblieben. „Waun bist’n boid fertig aufputzt, um siwane is scho Einloss beim Bäu“, ist der Göttergatte dann schon unruhig geworden. Er ist dann, wie die anderen Herren, vorgegangen, um Sitzplätze zu reservieren, die Damen sind dann immer mit den Freunden nachgekommen. Wer nicht rasch im Saal war, hatte Pech und musste warten, bis um Mitternacht die ersten nachhause gingen und ein Platz frei wurde. Der Saal war immer gesteckt voll, dass die Tür nicht mehr zugegangen ist. In Wasenbruck war ja sonst nicht viel los, so wollte jeder mit dabei sein. Unser Herr war aber rechtzeitig da und organisierte einen Tisch.

Der Kellner, Hansi oder Toni Hölzl, nahm gleich die erste Bestellung auf. „An Lita Weißn, an Lita Rotn, an Lita Oimdula, vau de Glasl glei zehne und mir bringst noh ah Kriagl!“, unser Herr war da nicht knausrig. Wenn die Getränke am Tisch standen und die Gläser verteilt waren, gab es keine Diskussionen mehr, der Tisch gehörte unserem Ehepaar mit ihren Freunden. Die Bernleitnerkapelle hatte schon ihre Anlage aufgebaut und stimmte ihre Instrumente ein. Mittlerweile kam auch unsere Dame mit ihren Freundinnen, auch die „dazugehörigen“ Männer kamen so nach und nach an den Tisch. Die Tanzfläche wurde in Augenschein genommen: „Do rutscht’s jo ned, do is zwenich Fedaweiß aufgstrat, do kau mah joh ned gscheid taunzn“. Schon war Richard Tatzber, der Betriebsrat und Organisator des Arbeiterballs, zur Stelle und hat mehr Federweiß aufgestreut. „Jo, jetzt passts“, waren sich die anspruchsvollen Gäste einig.

Bevor es los ging, gönnten sich unser Paar und ihre Freunde noch einen kleinen Happen, Würstel und Gulasch wurde serviert. Leichtsinniger Weise hat die Dame mit dem Fraunkfuata zu viel Senf und Krenn erwischt, als sie hineinbiss, sind ihr die Augen „übergegangen“. Die Tränen sind ihr runter geronnen mitsamt der Wimperntusche. Dem mitfühlenden Gatten hat es vor Lachen so geschüttelt, dass ihm der Bissen von der Gabel direkt in den Gulaschsaft fiel. Platsch, das weiße Hemd war vollgespritzt, was die Dame trocken kommentierte: „Und aupotzt hosd du die jetzt ah!“ Unser Herr sah entsprechend aus und wollte schnell nach Hause, „sei Hemad“ wechseln. Steht auf und geht, kommt gerade bis in die Gaststube, wo ihn ein Freund aufhält und an die Budl bittet, es werden ein, dann zwei Seidl. Nach dem zweiten Seidl kommt Frau Hölzl dazu: „Wia schaust denn du aus? Geh her, geh mit in de Kuchl, do wosch ih da die Fleckn min Safnwossa ausse!“ Wieder adjustiert und sauber kehrte unser Herr zurück zu seinem Tisch. „Jetzt woast owa schnö, hosd as leicht beglt ah, weus goa ned z‘mult is?“, wollte da die Dame wissen. „Nah de bezaubernde Jeannie woa daham, de hod mit da Nosn gwoglt und beglt woas“, die Wasenbrucker Jeannie eben.

Nun marschierte auch schon die Bernleitnerkapelle ein, der Begrüßungsmarsch wurde gespielt, die Leute machten sofort mit und klatschten im Takt, die ersten Paare begannen schon zu tanzen. Richard Tatzber ging auf die Bühne und begrüßte die Gäste sowie die Musiker – der Ball war nun eröffnet. Obwohl die Bernleitnermusi damals keine Gesangsanlage und auch kein Mikrophon hatte, ja selbst ein Solosänger fehlte, sangen die Musikanten lautstark in den Saal. Die Besucher kannten ja sowieso jeden Text von den Liedern, die Kapelle spielte und alle sangen voller Inbrunst mit. Die Leute ließen sich nicht lange bitten und die Tanzfläche war gesteckt voll. Auch unser Ehepaar und ihre Freunde tummelten sich im Gedränge, ein Boogie wurde gespielt, Tutti Frutti, Onkel Rudi und so weiter.

Willi Lima nahm dann Aufstellung für den Zapfenstreich beim Lied „Lilli Marleen“. Bevor er begann, rief ihm unser Herr zu: „Lima Bazi blos uandlich eini!“. Willi zurück: „Goschn heast, zoi liawa an Lita!“ Worauf unser Herr zum Kellner schrie: „Toni, an Lita fiad Musi“. Nächstes Stück „In the Mood“ von Glenn Miller, Herr Bernleitner, der Ammesman Lola, Hermann Nowak (Kohn), Richard Tatzber am Schlagzeug und Günther Zebauer am Klavier. „Tanz wie bei den Kosaken“ hieß es als nächstes, in die Hocke und einmal den rechten und dann wieder den linken Fuß im Takt nach vor Strecken, sehr anstrengend und nicht einfach. Aber alle haben es probiert und fast keiner hat es geschafft. Dann folgte „Letkiss“, sofort bildeten die Leute eine lange Schlange, immer ein Weiblein, ein Männlein, die ganze Schlange im Takt. Linker Fuß zwei Schritte, rechter Fuß zwei Schritte, Füße stampfen. Das war ein Spaß, wenn der Wille im Takt zu bleiben, da war, aber die wenigsten hatten dieses „Taktgefühl“.

Um Mitternacht nach „Tanze mit mir in den Morgen“ gschwind ins Wiatshaus ausse, um einen Platz für das Schnitzelessen in der Mitternachtspause zu ergattern. Die eine Stunde Mitternachtspause hat sich gezogen wie ein Strudelteig. Endlich war sie dann vorbei, die Musik begann wieder zu spielen, Brasil, Guantanamera, La Cucaraca und noch andere. Unser Ehepaar tanzte verträumt zu einem Lied von Freddy Quinn. An anderer Stelle im Saal begann es plötzlich zu brodeln, da wollte ein Besoffener einer Dame zu nahe treten. Deren Ehemann hat ihn gleich gestellt und ihm am Kragen gepackt: „Waunsd depad bist, kaunst morgen schon de Kipfal in Kaffee dungn, weu ih da glei de Zähnt aussa hau!“ Er gibt ihm einen Stoß, dass er am Boden gelegen ist. Die Feuerwehrleute waren gleich da, haben den Stänkerer unter den Armen gepackt und aus dem Saal gebracht. Draußen hat er zur Abkühlung dann mit der nächsten Schneewechte Bekanntschaft gemacht. Aber es wurde nicht alles so heiß gegessen, wie gekocht, nach einer halben Stunde hat dem Stänkerer die Kälte den Dampf aus dem Kopf getrieben, er hat sich bei allen Beteiligten entschuldigt und durfte wieder in den Saal, wo er fortan Ruhe gab.

 

Um vier Uhr früh hieß es eigentlich „Schlussmarsch“, aber die Leute ließen sich nicht abhalten. „Haum mah an Huat do? Miah gengan ohsaummen, dass die Musi nau weidaspüt“. Um sechs Uhr früh war dann endgültig Schluss, in der Eiseskälte über den ungeschaufelten, gefrorenen Schnee ging es nach Hause. Dort musste unser Ehepaar schauen, dass es mit Ham-and-Eggs und einem kräftigen Mokka bald wieder „auf die Beine kam“. Denn am Faschingssonntag, der ja schon angebrochen war, musste man mit den Kindern auf deren Maskenball. Davon werde ich dann nächstes Mal berichten …


Foto 1: Ballgäste anno dazumal (Karin Braun)

Foto 2: Die jüngeren Gäste (Kurt Tobler)

Foto 3: Noch mehr Publikum (Wasenbrucker Bildersammlung)

Foto 4: Die Pribillkapelle, hier allerdings bei einer Firmenfeier (Wasenbrucker Bildersammlung)

Foto 5: Ein modisches Zeitdokument (Ingrid Feichtinger)