Online-Gschichtl Nr. 13

Ein Rettungsauto für Mannersdorf

Heute scheint es fast selbstverständlich, dass die verschiedenen Rettungsorganisationen Patienten von A nach B transportieren. Auch ein Notarztwagen oder ein Notarzthubschrauber ist schnell zur Stelle. Vor gut 100 Jahren war dies allerdings ganz anders, da steckte das Rettungstransportwesen noch in den Kinderschuhen …

 

Nach den ersten freien Wahlen des Jahres 1919 konnte sich auch in Mannersdorf ein neuer Gemeinderat bilden, aus 13 Mitgliedern der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, 3 Mitgliedern der Wirtschaftspartei und 2 Mitgliedern der Gewerbepartei. In den nächsten Jahren bis zur Ausschaltung der Demokratie im Ständestaat sollte Mannersdorf sozialdemokratisch geprägt sein. In der Gemeinde- und Sozialpolitik orientierte man sich am Vorbild des Roten Wien, so wurde nun auch das Rettungswesen besonders gefördert. Im Jahr 1922 wurde von den Vereinigten Gewerkschaften um 230.000 Kronen ein erster Rettungswagen für Mannersdorf angekauft. Allerdings noch kein Automobil, sondern ein Wagen, der noch von Pferden gezogen werden musste. Das war ein erster Fortschritt im Krankentransport auf dem Lande, doch war man stets abhängig von der Zurverfügungstellung der notwendigen Zugpferde. Besonders in der Nacht oder während der Feldarbeit war es schwer, die Pferde parat zu haben, überdies war der Unterhalt des Wagens sehr teuer. Ein vergleichbares Exemplar eines solchen Rettungswagen hat sich übrigens in der äußerst sehenswerten Sammlung des Stadt- und Feuerwehrmuseums Traiskirchen erhalten (Foto).

Schon bald überlegte die Marktgemeinde Mannersdorf einen Ankauf eines Rettungskraftwagens, die Kosten konnten aber zunächst nicht aufgebracht werden. Erst 1927 wurde unter Bürgermeister Josef Haidn ein neues Rettungsauto um 14.500 Schilling angeschafft. Es war ein Steyr Typ XII mit 30 PS, das Modell war 1925 auf den Markt gekommen, bis 1929 wurden 11.124 Exemplare davon produziert. Es gab Ausführungen als Tourenwagen, Limousine und Cabriolet, für den Krankentransport wurde die Karosserie von der Firma Rosenbauer in Linz adaptiert. Wie ein Foto des Mannersdorfer Exemplars zeigt, war der Transportteil geschlossen und verglast, während der Fahrer „im Freien“ saß und sich nur durch eine Plane schützen konnte – die Farbgebung dürfte schwarz-weiß oder dunkelrot-weiß gewesen sein. Der Wagen war in der Prüfstelle in Wien kontrolliert worden und konnte am 1. Mai 1928 in Mannersdorf in Betrieb genommen werden. Gleichzeitig mit dem Rettungskraftwagen wurde für die Feuerwehr auch eine neue Motorspritze um 6.500 Schilling bei der Firma Rosenbauer angekauft.

Wie im Tätigkeitsbericht des Gemeinderates aus dem Jahr 1929 erläutert, konnte der Rettungswagen nur in jenen Nachbargemeinden eingesetzt werden, die zuvor eine Zahlungshaftung übernommen hatten. Mitglieder der gemeindeeigenen Sanitätsstelle Mannersdorf wurden unentgeltlich befördert, dafür hatten sie einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 1 Schilling 20 Groschen (!) zu zahlen. Nichtmitglieder mussten weiterhin mit dem alten Pferdewagen Vorlieb nehmen, für den sie auch eine Reinigungsgebühr zu entrichten hatten. Wollten die Nichtmitglieder trotzdem mit dem neuen Kraftwagen in ein Wiener Krankenhaus gebracht werden, so wurden stolze 60 Schilling fällig. Im ersten Einsatzjahr des Rettungskraftwagens wurden immerhin 7800 Kilometer zurückgelegt und 1243 Liter Benzin benötigt. 91 Personen wurden so 1928 befördert, gut die Hälfte stammten aus Mannersdorf und waren fast ausnahmslos zahlende Mitglieder, während die restlichen Patienten aus den umliegenden Ortschaften, ja sogar vier aus Bruck, kamen.

 

Der Rettungskraftwagen überstand die Erste Republik und den Ständestaat, erst im Nationalsozialismus sollte der gemeindeeigene Sanitätsdienst zwangsweise eingestellt werden. In der Gemeinderatssitzung vom 12. September 1940 informierte Bürgermeister Viktor Rapp, dass der Reichsstatthalter von Niederdonau die Abgabe aller gemeindeeigenen Rettungswagen an das Deutsche Rote Kreuz angeordnet habe. Diese Zwangsmaßnahme ohne jegliche finanzielle Entschädigung war Teil der Gleichschaltungspolitik des Regimes. Dem Gemeinderatsprotokoll ist zu entnehmen, dass nun eine Verschlechterung des Krankentransportwesens in Mannersdorf befürchtet wurde und dass die Übergabe des Wagens offenbar schon einige Male hinausgezögert worden war. Man fügte sich aber schließlich den „Weisungen vorgesetzter Behörden“. Am 1. Oktober 1940 endete somit der gemeindeeigene Sanitätsdienst und der Rettungswagen wurde dem Deutschen Roten Kreuz überlassen. So kann selbst ein Rettungswagen die schwierige Geschichte des 20. Jahrhunderts widerspiegeln …


Fotos: Tätigkeitsbericht des Gemeinderates 1929, Archiv Michael Schiebinger