Online-Gschichtl Nr. 135

Die Leitha - Der bewachte, überbrückte und regulierte Fluss

Im zweiten Teil zur Leitha begibt sich Johann Amsis diesmal auf die Spuren der „Bewacher, Brückenbauer und Regulierer“, die die Entwicklung des Flusses und seiner Umgebung im 18. und 19. Jahrhundert geprägt haben.

Am 5. Oktober 1835 erschien in der Wiener Zeitung eine Annonce, in der für die Sanierung der Grenzwachkaserne am Schafflerhof bei der Wasenbrücke und für die Errichtung eines Brunnens ein Baumeister gesucht wurde. Dem Billigstbieter wurde der Zuschlag in Aussicht gestellt. Wenn man die alten Berichte über unser Türkenbergl und die Leitha liest, stößt man immer wieder auf das kleine Grenzwachhäuschen, an dem die Reisenden „vom Ungarischen ins Österreichische“ – oder umgekehrt – kontrolliert wurden. Als ich die historischen Landkarten im Bestand der Niederösterreichischen Landesbibliothek durchgesehen habe, stand auf einer der Werke der Eintrag „Grenzjägerkaserne“. Bei genauer Betrachtung zeigte sich, dass dieses Häuschen gar nicht so klein war und bin ich davon überzeugt, dass das einstige Kasernengebäude noch heute besteht. Im Hof der ehem. linksseitigen Mühle befindet sich hinten noch ein altes Gebäude, das wohl unter der Familie Kornmüller-Klimpke nach der Errichtung der Mühle adaptiert wurde – ich meine, dass dieses Gebäude im Kern die alte Grenzwachkaserne darstellt. Die Grenzwache hatte ihre Aufgabe ja mit dem Wegfall der Zollgrenze an der Leitha nach 1850 verloren, sodass die Kaserne als solche nicht mehr benötigt wurde und an die Kornmüller abgetreten werden konnte.

Neben der Bewachung der Flussgrenze war auch die Brücke beim Wasen ein stetes Thema. Im 18. Jahrhundert wurden unter Maria Karolina Gräfin Fuchs-Mollard Verhandlungen zwischen der Herrschaft Scharfeneck und der benachbarten Herrschaft Reisenberg bzw. zwischen den Märkten Mannersdorf und Reisenberg um die Wasenbrücke geführt. Mit Vertrag vom 20. September 1737 wurde mit dem damals neuen Herrschaftsinhaber von Reisenberg, dem Grafen Cavriani, vereinbart, dass „wenn an der sogenannten Waasen-Brücke ob der Leithahälfte gegen den Reisenberger Grund etwas auszubessern oder zu erneuern ist, wird von der Herrschaft Scharfeneck und den Marktgemeinden, nämlich Mannersdorf , Sommerein, Hof und Au weder der Zimmermeister bezahlt, noch das dafür benötigte Holz von der Herrschaft Scharfeneck gratis zur Verfügung gestellt, sondern es ist diese halbe Waasen-Brücke von der Zeit an, da der geachtete Markt Reisenberg von den Hochgeachteten Herrn Graf von Cavriani verkauft wird, das ist ab 1735, in gutem Zustand zu halten. Das dafür benötigte Holz hat der Markt Reisenberg von der Herrschaft Scharfeneck zu kaufen und zu bezahlen.“ Kurzum hatte man sich also geeinigt, die Erhaltung der Hollzbrücke der Flussgrenze entsprechend aufzuteilen. Dabei waren die Scharfenecker Verhandler so schlau, den Reisenbergern „fremdes“ Holz für die Erhaltungsmaßnahmen aufzuschwatzen.

Als ich zur Leitha recherchierte, habe ich auf der Reisenberger Gemeindewebsite einen interessanten Eintrag gefunden, in dem über große Hochwässer der Leitha in den Jahren 1770 und 1813 berichtet wurde. Das Thema Hochwasser war also bereits damals präsent und Ideen zur Bändigung des Flusses kamen auf. In der Niederösterreichischen Landesbibliothek habe ich Landkarten und Pläne ausheben lassen, die einiges über die Leitharegulierung aussagen. Mein Interessensschwerpunkt lag dabei auf dem Flussabschnitt von der Seibersdorfer Kotzenmühle bis nach Götzendorf. In einer Karte von 1805 ist eindeutig zu sehen, dass es damals nur einen Leithaflusslauf gab. Mit sehr vielen Windungen floss das Wasser dahin, auf echt Woibehmisch gesagt: „de Leitha is gruna, wia de Gäns brunzn“. Ähnlich einer Ringelnatter schlängelte sie sich durch große Auwälder, Äcker und Wiesen. Man kann sagen, dass das ursprüngliche Flussbett mit dem heutigen Verlauf des Werkskanales und der seichten Leitha im Großen und Ganzen nur mehr den Namen der Leitha gemeinsam hat. Der Verlauf des ursprünglichen Flussbettes war im Bereich zwischen unseren heutigen Flussläufen gelegen. Es war teils ein unwegsames, sumpfiges Gelände. Eine Querung zu Fuß, geschweige denn mit einem Wagen, war, abgesehen von der Wasenbrücke und den wenigen Brücken in der Region, nur sehr schwer möglich. Am Rande des Überschwemmungsgebietes waren oft großflächige Wiesen und Auwälder, landschaftlich sah es wohl ähnlich aus, wie heute noch beim Fischteich auf der „Hoad“. Diese Wiesen wurden in der wärmeren Jahreszeit auch als Rinderweiden benutzt. Im flussnahen Bereich gab es große Auwälder mit sumpfigen Abschnitten.

Die Hochwässer des 18. Jahrhunderts waren ein großes Thema und es wurde auf eine Regulierung gedrängt. Aber die Umsetzung zog sich lange hin, da man sich auf Herrschaftsebene nicht über die Finanzierung einigen konnte. Die Regulierung wurde daher eine Ebene höher, von staatlicher Seite vorangetrieben. Die Arbeiten zur Regulierung der Leitha begannen im Raum Wasenbruck (Kotzenmühle-Pischelsdorf-Götzendorf) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1837 wurde der Mühlbach (Werkskanal) und 1838/39 der Durchstich (seichte Leitha) gegraben. Diese Jahreszahlen sind den Karten der Bauabschnitte zu entnehmen. Die erste Regulierung der „Leytha“ von Schwarzau bis zur ungarischen Grenze, ersteckte sich über einen Zeitraum von über 60 Jahren. Auf einer Karte von 1805 (NÖLB) ist noch die Ausgangslage zu sehen, während auf einer Karte von 1867 (NÖLB) neben dem alten Flusslauf bereits die regulierten Abschnitte bzw. die geplanten Durchstiche eingezeichnet sind.

Um einen Überblick zu bekommen, habe ich auf einer Karte aus der Zeit vor Hutter und Schrantz die Wasserläufe in unterschiedlichen Blautönen hervorgehoben. Die Ur-Leitha ist dunkelblau/violett nachgezeichnet, der Werkskanal bzw. Mühlbach erhielt ein mittleres Blau. Die seichte Leitha wurde als Durchstich bezeichnet und ist hellblau markiert. Und die Kleine Leitha ist Blaugrau gehalten.

Die Regulierung begann bei der Kotzenmühle, dort wurde die Leitha geteilt, in einen Werkskanal auf der linken Flussseite und in einen Durchstich (seichte Leitha) auf der rechten Seite des ursprünglichen Flussbettes. Der alte Fluss verlief in Mäandern durch das Gelände, so wurden die Schlingen, wo es möglich war, gerade durchschnitten. Wo die Schlingen aber zu weit abseits des gewünschten Verlaufes waren, wurde ein komplett neues Flussbett gegraben. Mit Piloten und Steinen wurden die Ufer befestigt, natürlich ohne Maschinen, nur mit Schaufeln, Krampen, Schiebetruhen und Menschenkraft – vielleicht half hin und da auch ein Pferdewagen mit.

Die Wasenbrucker „Leitha- und Aukinder“ werden sich noch an die Fischausstände, die Insel oder an die Seen erinnern, die Richtung Seibersdorfer Grafenwald gelegen waren. Das war früher einmal die Ur-Leitha, die dann vom ehemaligen Flussbett abgetrennt wurde. Diese Altarme oder Ausstände wurden mit Grundwasser gespeist oder auch bei Hochwasser überschwemmt. Sie wurden für die Fischzucht genutzt, aber auch von uns Kindern als Abenteuerspielplatz und im Winter als Eislaufplatz.

Die seichte Leitha wurde zum großen Teil neu gegraben, manchmal kreuzte sie die Ur-Leitha, diese wurde dort in das neugegrabene Flussbett integriert. Die „Heimwiese“ oder „Osterhasenwiese“ war vor der Leitharegulierung ein Teil der Pfarrwiese. Nach der Regulierung wurde diese Wiese auf den Karten als „Reisenberger Wiese“ bezeichnet. Wenn man dorthin wanderte, musste man ein ausgetrocknetes Flussbett durchqueren, jenes der Ur-Leitha. Von uns Kindern wurde es als „Bergwerk“ oder „Tal des Todes“ bezeichnet. Bei der heutigen Schleuse ging es im bestehenden Flussbett weiter. Dieser Teil wurde später, nach der Fertigstellung der neuen seichten Leitha und des Werkskanales, abgetrennt und stillgelegt. Von dieser Abzweigung aus wurde die „neue seichte Leitha“ Richtung Götzendorf komplett neu in das Gelände gegraben.

Bei der Kornmüller-/Klimpke-Mühle gab es eine große Leithaschlinge, die uns als „Feiaboch“ (Feuerbach) bekannt ist. Hier wurde die Schlinge durchschnitten und links und rechts mit Steinmauern befestigt. Diese Regulierung hatte Müllermeister Kornmüller als seine Chance erkannt, das Grundstück erworben und dort in Folge zwei Mühlen errichtet. Da sich die Leitha aber nicht immer vom Menschen in ihr neues Flussbett zwingen ließ, schwemmte sie oft über die Ufer hinaus und begann neue Schlingen auszuwaschen. Also entschloss man sich 1883 bis 1887 sowie 1898/99, die Ufer an den ausgewaschenen Stellen zu sanieren. Man errichtete Steinmauern, manchmal wurden aber auch nur Piloten geschlagen und hinterfüllt. Die Kinder der Nachkriegsgeneration können sich noch gut an diese Piloten erinnern, beim sogenannten Rossdumpf oder beim Novaradumpf bestehen sie wohl noch heute.

 

Für mich überraschend war, auf der Karte von 1867 auch schon das spätere Italienerbacherl bereits als Flüsschen eingezeichnet zu finden. Zwar hatte es noch keinen so „geraden“ Verlauf, wie wir es heute kennen, aber es trug immerhin den Namen „Kleine Leitha“. Aus Erzählungen weiß ich, dass das Italienerbacherl 1915 von Italienischen Kriegsgefangenen gegraben worden sein soll. Bisher ist es mir nicht gelungen Aufzeichnungen dazu zu finden. In meinen Kindertagen sind wir sehr oft am Bacherl spazieren gegangen. In manchen Jahren wurden die Anlandungen aus dem Bacherl entfernt und am Ufer abgelagert. Interessanter Weise haben wir sehr viele Muscheln, ähnlich Miesmuscheln, dort gefunden und gesammelt. Die Geschichte von der Kleinen Leitha bzw. vom Italienerbacherl, lasse ich einmal so stehen, vielleicht kommt durch einen Zufallsfund neues Wissen dazu zu Tage. 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Aulandschaft an der Leitha (Johann Amsis)

Foto 2: Lizitation (Versteigerung) von Teichgräberarbeiten an der Leitha (Wiener Zeitung vom 11. Jänner 1823)

Foto 3: Die alte Wasenbrücke mit der Grenzjägerkaserne (Niederösterreichische Landesbibliothek, Topographische Sammlung, KI_5579_62 (c))

Foto 4: Entwurf von k.k. Kreisingenieur Joseph Baumgartner zur Pischelsdorfer Schleuse (Niederösterreichische Landesbibliothek, Topographische Sammlung, BIII_17_8a (c))

Foto 5: Erste Regulierungsschritte im Biedermeier (Niederösterreichische Landesbibliothek, Topographische Sammlung, KI_5600_7 (c))

Foto 6: Neues Flussbett der Leitha südlich der Wasenbrücke (Niederösterreichische Landesbibliothek, Topographische Sammlung, KI_5579_63 (c))

Foto 7: Geplante Uferregulierungen bei Pischelsdorf im Biedermeier (Niederösterreichische Landesbibliothek, Topographische Sammlung, KI_5379_65 (c))

Foto 8: Die verschiedenen Flussläufe von Ur-Leitha, Kleiner Leitha, Mühlbach und Neuer Leitha vor der Fabriksgründung (Johann Amsis)