Online-Gschichtl Nr. 141

Die Leitha - Die Folgen des Hochwassers

Die Hochwässer der Leitha sorgten stets für Nachwirkungen, denen sich Johann Amsis im achten Teil zur Leitha widmet.

 

Als dann wieder die Sonne herauskam und das Wasser endlich weniger wurde, stand ich mit meinem Vater auf der Leithabrücke Richtung Mannersdorf. Die Straße nach Mannersdorf war zwischen der Leitha- und Wiesengrabenbrücke noch überschwemmt. Zwei junge Burschen, Robert Tichy und Helmut Bauer, hatten gerade mal den Führerschein gemacht und kamen mit einem alten Simca-Aronde angefahren. Sie diskutierten auf der Brücke: „Glaubst kema scho duach foan?“ Die umstehenden Leute rieten ihnen davon dringend ab. Aber sie waren davon nicht abzubringen: „Geh, do foa mah scho duach!“ Gesagt getan, bis zur Hälfte sind sie ja gekommen, dann ging es „blub, blub, blub“ und der Motor ist abgestorben. Die Kiste ist gestanden und ließ sich auch nicht mehr starten. Was blieb den zwei Helden dann anderes übrig? Sie krempelten die Hosenbeine auf, die Füße dünn wie von einem Storch und weiß wie Schnee, sind sie durchs Wasser gewatet und haben den Wagen unter dem Gelächter der Schaulustigen aus dem Wasser herausgeschoben.

Als das Wasser zurückgegangen ist, standen in der Au, im Ort und auf den Wiesen große Wasserlacken. Als das Wetter wärmer wurde, waren diese Lacken die perfekten Brutstätten für Gelsen. Bald sind die ersten geschlüpft und mit jedem Tag wurden sie mehr. Man konnte sich kaum mehr im Freien aufhalten. Unbeschreiblich, wenn man etwas sagte, hatte man den Mund schon voll mit den scheußlichen Viechern. Man konnte bei der Hitze nicht einmal mit kurzen Ärmeln unterwegs sein, ohne von den Gelsen regelrecht überfallen zu werden. Das hört sich aus heutiger Sicht übertrieben an, aber damals war es wirklich so. Um der Gelsenplage Herr zu werden, ordnete die Bezirkshauptmannschaft einen Einsatz des Bundesheeres an, das im ganzen Bezirk eine Gelsenvernichtung durchführen sollte. Bald darauf war es soweit, das Bundesheer rückte mit mehreren Puch-Haflinger-Fahrzeugen an. Der Lautsprecherwagen fuhr durch den Ort und verkündete, dass die Fenster bei den Häusern und Wohnungen verschlossen werden sollen. Die Haflinger waren mit einer „Gelsenkanone“ bestückt, aus der, wie bei einer Konfettikanone, weißes Pulver, in großem Bogen in die Leithaauen geschossen wurde. Es hat ausgesehen, wie wenn einem Müller der Mehlsack aufgeplatzt wäre und der Wind das Mehl verblasen hätte. Aus heutiger Sicht ist die damalige Aktion mit der Giftkeule und ihren Auswirkungen auf die Natur natürlich mehr als fraglich. Damals waren wir aber froh, dass die Gelsen großteils vernichtet worden waren.

Nach dem großen Hochwasser und den schweren Schäden von 1965 war aus damaliger Sicht klar, dass die Leitha reguliert werden musste. Die Pläne zur Regulierung lagen schon in der Schublade und wurden relativ rasch in Angriff genommen. Die Finanzierung wurde vom Land Niederösterreich auch schnell freigegeben. In den Jahren 1966 bis 1967 wurden am linken Leithaufer, etwas oberhalb vom Totenhaus, die Bauhütten aufgestellt, Bagger und Materialien wurden angeliefert. Die Bäume entlang der Leitha wurden abgeholzt und die Wurzelstöcke entfernt. Das war das jähe Ende vom Karpfendumpf, dem „Schiefen Baum“ und unseren beliebten Badestellen. Die Wurzelstöcke wurden in die damalige „Gstettn“ an der Hoferstraße gebracht und verteilt. Heute kann man dort noch die Nachkommen der Leithabäume bewundern.

Während der Bauarbeiten gab es für uns Buam nichts Schöneres, als auf der Leithabrücke zu stehen und den Baggern zuzuschauen. Auch Wasenbrucker „Originale“ wie Hansl Stiermayer traf man dort immer wieder an. Mit der Zeit haben wir uns mit den Bauleuten angefreundet. Mein Nachbar Norbert Morawek war genauso von den Baggern begeistert wie ich. Eines Tages hatte er die gute Idee, bei einem Baggerfahrer zu fragen: „Deaf ih ah bissl mitfoan?“. Er hatte den richtigen Ton getroffen und der Fahrer sagte: „Jo ge heah Bua!“ Das war allerdings ein Fehler, denn die Baggerfahrer sind uns dann nicht mehr losgeworden. Solange die Baustelle lief, hatten wir uns so eine Freizeitgestaltung mit der Mitfahrgelegenheit bei den Baggern und Lastwagen gesichert. Fünfunddreißig Jahre später habe ich in einer Baumaschinenfirma in Leobersdorf gearbeitet, am Telefon bestellte ein Herr Hutter Filter für eine Maschine. Einige Tage später kam er dann, um diese abzuholen. Wir sind ins Fachsimpeln gekommen und haben über ein französisches Baggermodell gesprochen. „Dea woa gaunz ah supa Bagga kaun ih da sogn“, war Herrn Hutters Fachmeinung dazu. Da bin ich etwas stutzig geworden und habe nach dem Vornamen meines Gegenübers gefragt. Hubert hieß er und ich fragte weiter: „Woah der Bagga von der Firma Sepp Doll in Krems?“ „Jooh!“ sagte Hubert, „Wieso wast den des?“. „Ich bin ana vo de zwa Buam, de wost imma in Wosnbruck mitfoan hosd lossn“, war meine Antwort. Es geht mir heute noch das Herz auf, wenn ich an das Gesicht dieses Mannes und an die freudige Überraschung denke, nach so langer Zeit einen fast vergessenen Menschen ganz unvermutet wieder zu treffen. Wir hatten uns dann noch einige Male gesehen, als ich die Firma gewechselt habe, haben wir uns dann wieder aus den Augen verloren.

Aber zurück in die späten 1960er-Jahre. Da wurde das Flussbett begradigt, tiefer gelegt und mit Granitsteinen ausgelegt. Der Damm wurde von der Pischelsdorfer Wehr bis fast zum Seibersdorfer Grafenwald erhöht und ausgebessert. Die Begradigung und die Vertiefung haben zwar etwas geholfen, aber auch die ausgesetzten Fische waren bei etwas höherem Wasser in Ungarn oder wo auch immer. Es gab ja jetzt keine Wurzelstöcke und Dümpfe mehr, wo die Tiere Unterschlupf finden hätten können. Da nun bei jedem höherem Wasser sehr viel Schotter angeschwemmt wurde, kam ein Bagger von der Perlmooser Zementfabrik zum Einsatz und Herr Binder schaufelte mit seinem Gottwald-Seilbagger riesige Mengen an Material aus der Leitha.

 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1-2: Baggerarbeiten an der Leitha (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 3-5: Arbeiten an der Leithabrücke  (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 6: Leithabrücke mit den Dämmen heute (Michael Schiebinger)