Online-Gschichtl Nr. 143

Sommerausklang - Kirtag und Tag des Kindes

Passend zur Jahreszeit nimmt uns Johann Amsis diesmal zum Sommerausklang in das Wasenbruck seiner Kindertage zurück.

 

Der Sommer neigte sich seinem Ende zu, untertags war es oft unerträglich heiß, die trockenen Auguststürme ließen die Weiden und Pappelbäume gegeneinanderschlagen und die Blätter rauschten. Die Getreideernte war schon eingefahren, in der Nacht wurde es schon kühler und man konnte wieder gut schlafen. „Waun da Wind iwa de Stoppen waht“, dann beginnt der Herbst, hieß es in Wasenbruck. Am letzten Sonntag im August, fand wie jedes Jahr, der Reisenberger Kirtag statt – auf diesen freuten wir uns auch in Wasenbruck alle Jahre wieder.

Margarete Püler von der Topothek Reisenberg hat handschriftliche Aufzeichnungen von mündlichen Überlieferungen des Johann Kopf (verfasst 1972) zum Kirtag gefunden. Diese Aufzeichnung möchte ich nun als Einstieg, zu meiner Geschichte über den Reisenberger Kirtag und seine Rolle für die „Woibehm“ nutzen. Kopf beschrieb, wie es zum Kirtag im August gekommen war: „Es wurde der Annakirtag gefeiert. Da aber Anna auf den 26. Juli fiel, waren zu dieser Zeit noch sehr viele Schnitter, zum Teil aus Kroaten bestehend, im Ort. So kam es, dass ein kroatischer Schnitter bei einer Rauferei den Gastwirt Leitgeb gestochen hat. Daraufhin wurde das Kirchweihfest auf den letzten Sonntag im August verlegt. Dieser Brauch ist bis zum heutigen Tage geblieben.“

Scharenweise gingen früher die Wasenbrucker zu Fuß nach Reisenberg, um den Kirtag zu besuchen. Die Reisenberger Straße war damals noch eine richtig schöne Kastanienallee, links und rechts der Straße standen alle fünfzig bis hundert Meter riesige Bäume, die den Spaziergang durch ihren Schatten erträglich machten. Die Reisenberger Straße war in meinen Kindertagen „ah Zuastaund“, wie man heute sagen würde. Zwischen den Schlaglöchern sah man manchmal sogar ein bisschen Asphalt. Da damals noch kaum Autos oder Motorräder unterwegs waren, gehörte die Straße den Fußgängern und so gingen wir mitten auf der Straße Richtung Reisenberg. Bei den Stadeln vorbei ging es zur Ortsmitte.

Neben dem Gasthaus Schmidt hatte die Familie Wolfgang ihren Kirtagsverkaufsstand aufgebaut, mit Spielzeug und Süßwaren. Türkischer Honig, Kokoskuppeln und Kokosstangerl durften bei einem Kirtagsbesuch nicht fehlen. Am Stand sah man auch viele verzierte und beschriftete Lebkuchenherzen, die die Burschen ihren angebeteten Mädchen kaufen sollten. Kleine Spielzeuge haben die Kinder am Standl auch bekommen, so etwa eine „Pfoazn“, die sich beim Aufblasen ausrollte und einen „pfoazatn“ Ton von sich gab. Ein buntes Windradl oder einen herrlichen Sterngucker gab es auch. „Safnblodan“, Luftballone, Matchboxautos und dergleichen waren auch immer dabei.

Im Bereich des heutigen Heldenplatzes stand ein Ringelspiel, das mit einer Kirmesorgel laute Musik verbreitete, die man in ganz Reisenberg hören konnte. Fröhlich ging es beim Ringelspiel fahren zu, die Sitze waren auf Ketten aufgehängt und mit etwas Geschick gelang es einigen, den Sitz des Vordermannes an der Kette zu fassen und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mancher Angstschrei der aus dem Gleichgewicht gebrachten Mitfahrer erschallte dann über den Platz. Unter lautem Gelächter wurden die Ängstlichen verspottet, das war damals ein Heidenspaß. Eine Schiffsschaukel war auch vor Ort, wo dann um die Wette geschaukelt wurde, wer den höchsten Punkt erreicht.

Als dann alle müde waren, gingen wir zum Gasthaus Schmidt oder zum Gasthaus Kopp auf ein „Kracherl und ah Bierstangerl“. Unterhalb vom Gastgarten Kopp floss der Reisenbach vorbei, da dieser nicht sehr tief war, durften wir dort alleine „umwodn, und umadum pritscheln“. Als wir abgekühlt und ausgerastet waren, begann das Lästigste am ganzen Kirtag, der Nachhauseweg. Der Fußweg zog sich dahin, aber manchmal ließen sich die Eltern erweichen und trugen uns Kinder ein Stück des Weges.

Auch in Wasenbruck selbst wurde gefeiert, am letzten Sonntag vor Schulbeginn wurde für die Kinder ein großes Fest organisiert: „Der Tag des Kindes“. Dafür wurden sogar die Kinderfahrräder festlich mit Krepppapier geschmückt. Entlang des Kinderheimes und beim Zaun des Tennisplatzes wurden verschiedene Spielestationen aufgebaut, bei denen sich die Kinder betätigen durften. Viele werden sich noch an den „Knelfressa“ (Knödelfresser) erinnern. Das war eine große Holzplatte mit einem Gesicht aufgemalt und als Mund war ein großes rundes Loch ausgeschnitten. Bei diesem Mund musste man dreimal mit einem „Fetznlawal“, also einem weichen, selbst zusammengenähten Ball, hineintreffen. Als Preis gab es dann in Zeitungspapier gewickelte „Pfoatzn“, Petz-Zuckerl, Pfeiferl, Bensdorp-Schokolade oder ähnliches. Beim Dosenwerfen und beim Glücksrad konnte man ebenso schöne Preise gewinnen. Es gab viele lustige Spiele wie Seilziehen, Äpfel mit dem Mund aus dem Wasser fischen, Sackhüpfen oder zusammengebunden um die Wette laufen.

 

Beim Fest haben die Erwachsenen noch bei den Spielen mit den Kindern mitgemacht. Auch Zauberer kamen und unterhielten die Kinder und die Erwachsenen. Es gab bei so manchem Tag des Kindes auch mal schlechtes Wetter, da wurde das Geschehen in das Kinderheim verlegt. Die Spiele fanden im Turnsaal statt und die Besucher saßen an den Tischen im Vorraum. Neben dem Zimmer, wo die Spielsachen und Utensilien gelagert waren hing sogar ein berühmtes Bild – der Hase von Albrecht Dürer. Dieser hing vermutlich schon einige Jahrzehnte dort, ohne große Bewunderung gefunden zu haben. Adele Koch saß bei einem der Feste bei uns am Tisch und plauderte mit meiner Mutter und den anderen Gästen. Plötzlich fiel Ihr Blick auf das Dürer-Bild. Frau Koch erkannte gleich: „Des is jo da Dürer-Hase!“ Das Bild ist ja wertvoll, wie kann man das so ungesichert im Wasenbrucker Kinderheim belassen, wo ihn alle stehlen können. Es folgte ein großes Trara und dann hat es einige Zeit gebraucht, bis man Ihr begreiflich machen konnte, dass es nur eine einfache Kopie des Dürer-Hasens war. Wo das vermeintlich wertvolle Wasenbrucker Exemplar hingekommen ist, ist unbekannt …


Foto 1: Tag des Kindes anno dazumal (Helga Thiel)

Foto 2: Mit dem geschmückten Rad zum Tag des Kindes (Johann Amsis)

Foto 3: Tag des Kindes in den 1970er-Jahren (Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 4: Programm für Jung und Alt (Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 5: Tag des Kindes in der 1990er-Jahren (Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 6: Seilziehen am Sportplatz (Sammlung Theobald Grohotolski)