Online-Gschichtl Nr. 168

Rosa Adler (1903-1985) - Des Malers Tochter

Im heutigen Beitrag widmet sich Michael Schiebinger einer besonderen Mannersdorfer Persönlichkeit.

 

Wer war Rosa Magdalena Adler? Sie war die Tochter des akademischen Malers Edmund Adler. Sie war seine „große Tochter“, war dem Vater Stütze nach den vielen Schicksalsschlägen und stand ihm seit Kindertagen Modell. Sie wurde mit ihrer Klavierschule legendär und sie war jene Person, die das Erbe des Vaters bewahrte. Kurzum, Rosa war die starke Frau „hinter“ Edmund Adler. Rosa war es, die bereits in den 1960er-Jahren eine museale Einrichtung für das künstlerische Erbe anregte. Die Eröffnung der Edmund-Adler-Galerie 2006 konnte sie freilich nicht mehr erleben und doch wäre diese museale Sammlung nicht ohne Rosa zustande gekommen. Sie hatte letztlich das künstlerische Erbe ihres Vaters der damaligen Marktgemeinde Mannersdorf überlassen.

Rosa Magdalena Adler wurde am 11. August 1903 im Haus Nr. 158 in Hof am Leithaberge im Beisein der Hebamme Maria Kruckenfellner geboren. Fünf Tage später wurde das Mädchen in der Hofer Pfarrkirche von Franz Mayr getauft, ihre Patin war Maria Hayn, die Quartiergeberin von Rosas Eltern. Letztere waren der akademische Maler Edmund Adler und Rosa, eine geborene Pangratz. Das junge Paar stammte aus Wien und hatte sich anlässlich der Sommeraufenthalte beider Familien in Hof kennen und lieben gelernt. Edmund heiratete Rosa Pangratz im April 1903 in Wien-Breitenfeld, wo beide zunächst im Elternhaus der Braut unterkamen. Der Zufall mag es gewesen sein, der ihr erstes Kind Rosa – welches seinen Namen von der Mutter bekam – gerade während der Sommerfrische in Hof zur Welt kommen ließ.

Vater Edmund hatte schon lange Gefallen an der Gegend des Leithagebirges gefunden. So nimmt es nicht Wunder, dass die kleine Familie, 1905 kam Sohn Gustav und 1908 Sohn Gilbert hinzu, sich ab 1910 dauerhaft in Mannersdorf niederließ. Diese frühen Jahre werden wohl auch Tochter Rosa geprägt haben, insbesondere der frühe Tod von Bruder Gustl 1907, der kaum zwei Jahre alt wurde. Ebenso einprägsam dürfte die künstlerische Arbeit des Vaters gewesen sein, dem Rosa bereits als Kind Modell stand. Rosa Adler hatte nicht nur den Tod ihres Bruders Gustl zu verkraften, auch ihre Mutter war schwer krank und verstarb noch im Jahr 1924. Rosa, kaum 20 Jahre alt, nahm nun die Rolle der Mutter ein und führte den Haushalt im Wohn- und Atelierhaus in der Sommereinerstraße Ecke Peergasse. Nachdem ihr Bruder Gilbert, der das malerische Talent des Vaters geerbt hatte, unter seelischen Problemen litt, blieb Rosa zweifelsohne die letzte Stütze ihres Vaters.

Drei Ölgemälde (Edmund-Adler-Galerie) verdeutlichen die innige Beziehung zwischen Edmund Adler und seiner Tochter. Rosa erscheint einmal als elegante, junge Dame, ein zweites Mal gleichsam als Allegorie der Jugend und am dritten Gemälde bringt sie dem Vater das Frühstück. Die beiden ersten Werke zeigen eine selbstbewusst wirkende junge Frau. Wir wissen nicht, ob dies ihr Selbstbild war oder ob sie der Vater so sah. Am dritten Bild wird Rosa als „häusliche“ Tochter wiedergegeben, die dem traditionalistischen Frauenbild der damaligen Zeit weit besser entsprach. Auch in Edmund Adlers Gemälden mit den beliebten Kinderszenen finden sich die Geschwister Rosa und Gilbert häufig als Modelle wieder. Während Rosa als Bäuerin oder Magd dargestellt wurde, kam Gilbert als Hirtenjunge „zum Einsatz“. Rosa erscheint in den Genreszenen aber nicht nur als Bäuerin oder Magd, sie wurde von ihrem Vater in den Werken sehr einfühlsam auch als Mutterfigur wiedergegeben – zu sehen ist dies beispielsweise im Gemälde „Spielpause“ (Edmund-Adler-Galerie). Als Vorlagen für die Ölgemälde dienten Edmund Adler neben den vielen Zeichenstudien auch selbst angefertigte Fotografien. Rosa wurde dabei vom Vater immer wieder in verschiedenen Situationen abgelichtet.

Rosa Adler blieb stets bei ihrem Vater und ging keine Ehe ein, obwohl sie einige Verehrer hatte und sie eine „gute Partie“ machen hätte können. Die musisch begabte Tochter zeigte ihr Talent schon früh beim Mannersdorfer Gesangsverein, wo Rosa in der Zwischenkriegszeit Mitglied war. Legendär wurde aber ihre Klavierschule, die sie als kleines Zubrot für den Familienunterhalt führte. Das „Schulgeld“ für ein Monat betrug in den 1960er-Jahren etwa 60 Schilling. Viele ältere und junggebliebene Mannersdorfer erinnern sich noch heute gerne an die Erlebnisse im Hause Adler. Rosa saß am Klavier, während ihr Vater an der Staffelei arbeitete. Für die Kinder mag wohl manchmal das „Gepinsel“ des alten Herrn interessanter gewesen sein, als das „Geklimpere“ am Klavier. Letzteres stand im zentralen Raum des Hauses, hier war das Reich der „Frau Professor Adler“, wie Rosa anerkennend betitelt wurde. Der Herr Professor, also ihr Vater, arbeitete hingegen im gut belichteten Raum zur Peergasse hin. Edmund Adler griff mitunter auch selbst in die Übungsstunden der Klavierschüler ein, wurde es zu laut, dann konnte es der alte, mürrische Herr ebenso werden. Mehrere Generationen Mannersdorfer Kinder nahmen bei der „Frau Professor“ Unterricht, von den 1920er- bis zu den 1970er-Jahren. Für die Übungen hatten die Kinder eigene Hefte und Notenblätter, die von Rosa mit Anmerkungen versehen wurden. Ein oft gespieltes Salonstück war „Die Silbermyrthe“, Rosas schätzte aber auch „Die letzte Rose“ aus Friedrich von Flotows Oper „Martha“.

Als Edmund Adler 1965 verstarb, bemühte sich Rosa alsbald um eine entsprechende Würdigung des künstlerischen Werks ihres Vaters. Ihre Idee einer dauerhaft im Mannersdorfer Schloss untergebrachten Edmund-Adler-Galerie konnte Rosa noch nicht verwirklichen. Es gelang ihr aber, das Wohnhaus in der Sommereinerstraße ab 1966 als eine Art Museum zu führen. Kunstinteressierte, darunter auch ehemalige Modelle Adlers und Klavierschüler, wurden dabei von Rosa durch das baulich erweiterte Haus geführt. Bereits zu Lebzeiten Edmund Adlers wurden mit Hilfe der damaligen Marktgemeinde Werkschauen des Künstlers abgehalten. Rosa führte diese Tradition fort, so gelang ihr 1971 eine Sonderschau und 1976 eine Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag ihres verstorbenen Vaters zu organisieren. Die gut besuchten Ausstellungen fanden im Maria-Theresien-Saal des Schlosses statt, der schon damals einen gediegenen Rahmen bot.

Die Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag von Edmund Adler wurde von unzähligen Schulklassen besucht. Schon damals waren die Schüler schwer für die hohe Kunst zu begeistern. Rosa Adler verstand es aber offenbar dennoch, das junge, „kritische“ Publikum zu überzeugen, wie das Gästebuch verrät: „Wir waren nicht gerade begeistert von der Ausstellung, aber Frau Adler … die hat uns gefallen!“ Die Jubiläumsausstellung 1976 wurde nicht nur von den Mannersdorfern besucht, diese zeigten die Schau auch ihren Verwandten aus aller Welt, die gerade hier zu Gast waren.

Nach dem Tod des Vaters bewohnte Rosa zunächst weiterhin das Elternhaus in der Sommereinerstraße, allerdings in sehr bescheidenen Verhältnissen. Sie versuchte sich so gut als möglich selbst zu versorgen und baute Obst und Gemüse an. Zu ihrem Bruder Gilbert hatte sie immer wieder Kontakt und stets ein gutes Verhältnis. Gilbert war nach seiner Genesung als Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb der Landesnervenheilanstalt in Mauer-Öhling geblieben, wo ihn Rosa auch besuchte. Sie selbst schien im Alter immer mehr mit der Haushaltsführung überfordert gewesen zu sein. Ihren Lebensabend verbrachte Rosa, die leider so manchem lästig erschien, in einem Altersheim in Melk, weit weg von ihrer Mannersdorfer Heimat. Dort verstarb sie am 18. Oktober 1985 in hohem Alter und wurde in einem einfachen Grab beigesetzt, ohne das große Notiz davon genommen wurde. Rosa hatte das künstlerische Erbe ihres Vaters der damaligen Marktgemeinde Mannersdorf vermacht und legte damit indirekt den Grundstein für die heutige Edmund-Adler-Galerie. Erst 2006 konnte eine dauerhafte Präsentation des Werkes von Edmund Adler umgesetzt werden, gut 40 Jahre nachdem Rosa den Wunsch nach einem eigenen Museum erstmals geäußert hatte.

 

Durch das Engagement einiger weniger konnte Rosas sterbliche Hülle im September 1996 nach Mannersdorf überführt werden. Sie erhielt im Familiengrab nun endlich jene würdige Ruhestätte, die sie sich verdient hatte und die ihr zunächst noch verwehrt blieb. In der Nachbarortschaft Hof hat ihr Lebensweg begonnen, in Wien verbrachte sie ihre ersten Jahre. Als die Familie 1910 nach Mannersdorf übersiedelte, hatte sie es nicht leicht als „Zuagraste“, wie Rosa später erzählte. Als Klavierlehrerin und auch als „Tochter des Malers“ erfuhr sie letztlich die zuvor vermisste Anerkennung. Die „Frau Professor“ wurde zu einer liebenswerten „Tochter Mannersdorfs“, ein Original im besten Sinne des Wortes!

Foto 1: Porträt von Rosa Adler, "Meine Tochter", Öl auf Leinwand, 1923, Edmund Adler (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 2: "Rosl" im Kindesalter, Zeichnung, um 1905, Edmund Adler (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 3: Familienfoto mit Vater Edmund, Bruder Gilbert und Mutter Rosa, um 1920 (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 4: Rosa (li.) mit Bruder Gilbert (re.) und einem weiteren Mädchen, Fotografie von Edmund Adler als Kompositionsstudie für ein Gemälde, 1920er-Jahre (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 5: Rosa als Mutterfigur mit Hedwig Stumpf (verh. König), "Spielpause", Öl auf Leinwand, Edmund Adler (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 6: Rosa mit ihren Klavierschülern, 1920/30er-Jahre (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 7: Klavierunterricht in den 1970er-Jahren (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 8: Ausstellungseröffnung mit Rosa, 1970er-Jahre (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 9: Rosa mit ihrem Bruder Gilbert beim Besuch des Stiftes St. Florian (OÖ) (Archiv Edmund-Adler-Galerie)

Foto 10: Überführung und Beisetzung von Rosa Adler im Mannersdorfer Familiengrab, 1995 (Hans Amelin, Archiv Edmund-Adler-Galerie)