Online-Gschichtl Nr. 187

Die Wasenbrucker Filztuchfabrik von Hutter und Schrantz - Teil 3

Im dritten Teil zur Geschichte der Wasenbrucker Filztuchfabrik widmet sich Hans Amsis den Transportmitteln im Werksumfeld.

 

Da eine Filztuchfabrik, wie die von Hutter und Schrantz in Wasenbruck, sehr viel Baumwolle und andere Materialien brauchte und zudem die fertigen Filze zu den Kunden gebracht werden mussten, bedurfte es natürlich auch geeigneter Transportmittel. In der Zeit nach der Gründung des Werks wurden zunächst noch Pferdefuhrwerke eingesetzt, die stetig wachsende Produktion verlangte aber nach effektiveren Liefermöglichkeiten. So wollte man einen eigenen Eisenbahnanschluss für die Fabrik erwirken. Aber dies war bei den Behörden einfach nicht durchzusetzen, da es bei der Bahntrassenführung offenbar zu gefährlichen Kreuzungen mit Straßen gekommen wäre. So kam es, dass man auf einen Lastkraftwagen setzte. Die erste Ansicht mit einem Büssing-Lastwagen wurde auf der Brücke der tiefen Leitha aufgenommen, vollbeladen mit fertigen Filzen. Es darf wohl angenommen werden, dass diese Aufnahme aus dem Archiv von Kurt Tobler eine der ersten Auslieferungen mit dem Fabrikslastwagen zeigt. Sonst ist aus der frühen Zeit der Chauffeure und der Lastwagentransporte wenig bekannt. Aus der Zeitung „Bauernbündler“ vom 9. Juni 1928 ist zu entnehmen, dass es damals mit dem Lastwagen von Hutter und Schrantz einen schweren Verkehrsunfall auf der Reisenberger Straße gegeben hat. Bei diesem ist der ehemalige Bürgermeister von Reisenberg, Josef Hafenscher, ums Leben gekommen.

Einer der bekannten Chauffeure des Werks war Ferdinand Slavik, der 1901 in Himberg geboren worden war – damals war die Fabrik in Wasenbruck erst siebzehn Jahre in Betrieb. Der „Schlawek Feal“, wie er von den Wasenbruckern genannt wurde, hat im entsprechenden Alter seinen Lastwagenführerschein gemacht und bei Hutter und Schrantz als Chauffeur zu arbeiten begonnen. Später hat er mit seiner Familie auch ein Einfamilienhaus neben dem Wasenbrucker Sportplatz errichtet. Der „Feal“ hatte schwere Wollballen, Maschinenteile und alles andere, was man für den Fabriksbetrieb benötigte mit dem Lastwagen vom Bahnhof in Götzendorf oder in Gramatneusiedl abzuholen. Das war damals noch ein Knochenjob und so hatten die Chauffeure immer einen Beifahrer dabei. In meiner Kindheit hat Josef Lutz, der Vater von Marlies Ahorn, die Touren als Beifahrer begleitet.

Und dann kam der schöne grüne ÖAF (Austro Fiat), der kleine Tornado, der wurde sogar in Österreich erzeugt. Dieser Lastwagen hatte noch eine sogenannte Blutdrucklenkung. Von einer hydraulischen Servolenkung hatte damals auch noch niemand gehört. So ein vollbeladener Lastwagen war ganz schwer beim langsamen Fahren zu lenken, darum hatte „Feal“ Kraft in den Händen, dass er aus einem rohen Erdapfel den Saft rauspressen konnte. Hubstapler gab es noch keine und so musste das Transportgut mühselig über eine Rampe am Bahnsteig oder über einen Pfosten auf das Plateau des Lastwagens geschleppt werden. Bei einem mehrere hundert Kilogramm schweren Wollballen war das gar nicht so einfach und dann waren die Ballen ja noch in zwei oder drei Reihen übereinandergeschichtet. Die erste Reihe, war noch relativ einfach, da konnte man die Ballen mit einer Sackrolle zum Plateau bringen. Aber die zweite und dritte Reihe über einen Pfosten „auffizuweagln“ war schon eine Kunst. „Feals“ und „Seppes“ damalige Leistung muss man da noch heute bewundern! In der Firma war das Be- und Entladen leichter, da waren mehr Leute vor Ort. Da hieß es dann: „de Hofpartie hüft eich, ramts de Boin glei eini ins Loga. Wauns fertich seit’s, möds eich im Expedit. Moargn mochts ah Fuah noch Gloggnitz in de Papierfabrik, de brauchn scho gaunz dringend ah Woah!“ Und so ging es Tag für Tag, die Firma arbeitete in drei Schichten, da wurde viel Ware erzeugt, die ausgeliefert werden musste.

Der Direktionschauffeur war wiederum Rudolf „Rul“ Stiermeier, der mit dem Direktor oder der Geschäftsleitung zu verschiedenen Terminen fuhr. Er machte auch Botendienste in die Windmühlgasse, wo die Wiener Zentrale untergebracht war, oder in die Zweigbetriebe. Das Fahrzeug mit dem „Rul“ fuhr, wurde von den Wasenbruckern scherzhaft „Zeisalwogn“ genannt. Karl Heinz Mandl hat noch in Erinnerung, dass der Aufbau bzw. die Personenkabine des Gefährts komplett aus Holz war. Den „Zeisalwogn“ durfte die arbeitende Belegschaft sogar für dringend notwendige Fahrten, nach Genehmigung durch den Direktor, fallweise nutzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann man sich langsam wieder nach einem normalen Leben zu sehnen und man wollte wieder etwas Schönes von der Welt sehen. Eines schönen Frühsommertages sprach „Feal“ zur Belegschaft: „aum Sundoch spaun mah au, foast mid, iwan Hotta (Hotter) nach Donnerskirchen, vielleicht dawisch mah ah poah Keaschn (Kirschen)“. Er lud also zu einem Sonntagsausflug mit dem Werkslastwagen ins nahe Burgenland. Samstagnachmittag wurde noch bis vier Uhr gearbeitet, dann stellte man auf die Ladefläche vom Tornado-Lastwagen Holzbänke, die natürlich mit einem „Schnial“ aus der Fabrik befestigt wurden. Am Sonntagmorgen ging es dann los: „ois aufsitzn, foah mah eia Gnodn“. „Feals“ Sprachgebrauch war noch von den alten Pferdekutschern geprägt und so meinte er bei „spaun mah au“ das einstige Einspannen der Pferde. Und so ging es über das Leithagebirge nach Donnerskirchen, wo „Feal“ mit dem Lastwagen just unter einem Kirschenbaum mit den schönsten Früchten Halt machte. Da gab es kein Halten mehr für die Ausflügler, die wie eine Schar Stare über die Kirschen herfielen. Plötzlich war ein Schimpfen und Schreien zu vernehmen, der Besitzer hatte die ungebetenen Gäste entdeckt. Er fluchte was das Zeug hielt, aber „Feal“ warf ruhig den Motor an und zog gemütlich von dannen.

Ein anderes Mal ging es wieder zu einem Ausflug ins Burgenland, diesmal zum Wandern. Mit dem Lastwagen wurde Halt gemacht und die Ausflügler spazierten über eine Wiese über die Wäscheleinen gespannt waren. Die ganze Gesellschaft war gut gelaunt, als Hermann Petrina (unser Trafikant), mit seinem „Goda“ bei so einem Wäschestrick einhackte und rief: „Feal mei Freind, rett mas Lem“. „Feal“ tat das auch, in dem er in seine Hosentasche griff, seinen Taschenfeitl herauszog und mit einem Schnitt Hermann das ach so bedrohte „Leben rettete“. In den Nachkriegsjahren war so ein Wäschestrick aber ein wertvolles Gut und der Weinbauer, dessen Strick aus Jux zuschnitten worden war, hatte das ganze Treiben beobachtet. Er kam schreiend mit einer Mistgabel angerannt und drohte den Ausflüglern, die Gendarmerie zu holen. Die Wasenbrucker hatten ja für vieles Verständnis, aber dass einer wegen einem „Schnial“ so an Aufstand machte, das konnten sie nicht begreifen. „Feal“ ging zum Lastwagen, öffnete die Beifahrertür, nahm eine Spule mit einem Wasenbrucker „Schnial“ heraus und hielt es dem erbosten Weinbauern unter die Nase. „Wos soi ih mit dem Zwian, der reißt jo schon beim Aunschaun oh“, erwiderte der Weinbauer. „Des schau ih ma auh, des reißt nedamoi oh, waunst die du waumpada Hund damid aufhänga wüsd“, war sich „Feal“ ob der Wasenbrucker Qualität sicher und schlug vor: „Prowia amoi, waunst das ohreisn kaunst, steia mah zaum und zoin den Strick, owa waun ned, daun zoist an Doppla!“ Der Burgenländische Weinbauer mühte sich ab, aber vergebens, es ist ihm nicht gelungen, das „Schnial“ abzureißen. Ob der Qualität beeindruckt, wollte der schaue Weinbauer gleich noch die drei anderen Spulen, die er hinter dem Beifahrersitz gesehen hat, haben. Aber „Feal“ gab sie erst heraus, als der Weinbauer mit zwei Dopplern anrückte und die Reisegesellschaft selbige verkostet hatte.

„Feal“ war mit dem Tornado auch in Wasenbruck stets hilfreich zur Stelle, etwa als der Tennisplatz gebaut wurde und er das Material herbeibrachte. In den Hochwasserjahren machte „Feal“ Taxidienst, indem er auf die Ladefläche vom Tornado wieder einmal Holzbänke gestellt und mit einem „Schnial“ befestigt hatte. So holte er die Arbeiter von den Wohnhäusern ab und brachte sie trockenen Fußes in die Fabrik. Als „Feal“ in Pension ging, hat Kurt („Kuatl“) Gauster die Funktion des Chauffeurs weitergemacht, allerdings mit einem braunen Steyr 680. Das Lastwagenfahren konnte „Feal“ aber auch in seiner Pension nicht lassen und so hat er während der Leitharegulierung 1966/67 als Fahrer eines 380er Steyr des Öfteren ausgeholfen.

 

 

Fortsetzung folgt …

Foto 1: Der erste Lastwagen der Wasenbrucker Filztuchfabrik, um 1930 (Kurt Tobler)

Foto 2: Josef Lutz mit dem Werksgefährt (Marlies Ahorn)

Foto 3: Ausflugsfahrt mit dem Lastwagen (Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 4: Ferdinand Slavik und Josef Lutz mit ihrem formschönen Gefährt (Marlies Ahorn)