Online-Gschichtl Nr. 48

Die Jägerzeile

Sie ist eine besondere Straße, jeder in Mannersdorf kennt sie, für viele ist sie Heimat, andere fahren gerne schnell durch, für die Kleinen liegt sie am Weg zum Kindergarten, für Nachtschwärmer ist sie ein lohnendes Ziel und Prozessionen wie Fackelzüge hat sie auch schon viele erlebt. Kurzum, um sie kommt niemand herum, die Jägerzeile – eine kleine Hommage von Michael Schiebinger.

 

Die Jägerzeile ist ein südlich zur Hauptstraße verlaufender, weitgehend gerader Straßenzug, der auf gut 550 Metern vom „Johannes“ bis zum Stadtpark führt. Leider schweigt die Literatur zur Herkunft des Namens „Jägerzeile“ und ab wann er in Gebrauch kam. Da die Straße ursprünglich nur einseitig bebaut war, bildeten die Häuser eine „Zeile“. Warum aber gerade die „Jäger“ namensgebend wurden, ist so nicht ableitbar. Der Name taucht aber auch anderswo auf. Den Namen „Jägerzeile“ trug so u.a. eine historische Wiener Vorstadt, die sich im heutigen 2. Gemeindebezirk im Bereich der Praterstraße befand. Eine weitere Jägerzeile findet man in Ebreichsdorf, wo eine Seitengasse im nordöstlichen Stadtteil diesen Namen erhalten hatte. Und in Auersthal im Weinviertel verläuft eine Jägerzeile, wie in Mannersdorf, parallel zur Hauptstraße.

Ein Blick auf die erste verlässliche Plandarstellung Mannersdorfs, den Franziszeischen Kataster von 1832, zeigt, dass die Jägerzeile bereits ihren heutigen Verlauf aufwies, auch die drei Einmündungen der späteren Seitengassen (Fleischgasse, Am Berg und Eisgrube) sind deutlich erkennbar. Die Bebauung beschränkte sich, wie bereits erwähnt, weitgehend auf die Südseite. „Beim Johannes“ bestanden zwei längsrechteckige Bauten, das eine Gebäude dürfte mit dem giebelständigen Haus Am Berg 4 ident sein. Leider verlor dieses bei der jüngsten Umgestaltung seine historische Fassade. 1832 bestand auch der Vorgängerbau von Jägerzeile 2 (ehemals Pleß und Wiener), der bereits um 1900 durch einen Neubau ersetzt worden war. Am Kataster folgen gegen Osten vier weitere, längsgestreckte Höfe mit kleinen, rückwärtigen Holzstallungen. Das Haus Jägerzeile 4 ist Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden, die damalige, späthistoristische Fassade verschwand im 20. Jahrhundert. Auch die bekannte Fleischerei Teitzer ist mittlerweile geschlossen und war bereits 1900 von Josef Seiwerth betrieben worden. Nr. 6 wiederum war ein typischer, giebelständiger Bau, von dem noch Reste der Fassade blieben, während Nr. 7 ein gänzlicher Neubau des 20. Jahrhunderts ist – auch die dortige Trafik ist nunmehr Geschichte. Das Gebäude Jägerzeile 10 stellt noch ein altes Steinmetzhaus aus dem Biedermeier dar, mit entsprechendem Einfahrtsportal und schönen Steinrahmungen an den Fenstern. Hier war einst die Tischlerei Karpf untergebracht, die später auch das Bestattungsgewerbe ausgeübt hat. Nr. 14 und 16 scheinen am Kataster von 1832 noch nicht in der heutigen Form auf, bestanden hat aber bereits seit dem 18. Jahrhundert der daneben befindliche Keller mit dem Barockportal. Das Haus Nr. 14 muss im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden sein, um 1900 betrieb darin Heribert Schutzbiers Großvater eine Gemischtwarenhandlung, ehe diese auf die Hauptstraße verlegt wurde – die spätere Blumenhandlung Karpf besteht mittlerweile auch nicht mehr. Das Haus Nr. 16 mit seinem eleganten Portal und den berühmten Fenstergitterkörben sticht deutlich hervor und stammt aus dem späten 19. Jahrhundert. Die längliche, straßenseitige Hausform scheint aber schon beim Vorgängerbau (oder Kernbau?) am Kataster von 1832 auf. Es war das Wohnhaus des bedeutenden Philologen und Papyrologen Karl Wessely (1860-1931), der hier ab 1927 das erste Museum Mannersdorfs betrieb, das durch seine Privatsammlung entstanden war. Am Kataster von 1832 folgen ostwärts vier weitere, längsausgerichtete Höfe, die wohl noch teilweise in den Häusern Nr. 18 bis 24 bzw. in deren Parzellenform erhalten sind. Das Arbeiterwohnhaus mit der Durchfahrt (Nr. 26) war erst um 1900 entstanden, 1832 klaffte hier noch eine große Baulücke in den Häuserverband. Danach bestanden aber bereits im Biedermeier drei längliche Höfe, heute Nr. 28, 30 und 32. Alle drei Häuser waren einst giebelständig mit seitlichen Toren und Verbindungsmauern. Nr. 28 verlor vor einigen Jahren seinen baufälligen Giebel, blieb aber als solches erhalten. Bei Nr. 30 besteht noch der hintere Teil des alten Hofes, der Altbau von Nr. 32 ist beim Hausneubau in den 1970er-Jahren hingegen vollkommen verschwunden. Auf dem Kataster von 1832 folgen dann gegen Osten vollkommen unbebaute Parzellen, nur bei der heutigen Hausnummer 50 bestand bereits ein längsgestreckter Hof. Auch das Leitnerhaus mit der späteren Gemischtwarenhandlung von Karl Migschitz bestand noch nicht. Den Abschluss der Bebauung bildeten im Biedermeier die Häuser Nr. 56 und 58, wo später das Gasthaus Josef Kopper bestand (heute Jägerhof Schneider). Auf der ungeraden, nördlichen Straßenseite gab es bis auf den herrschaftlichen Schüttkasten 1832 noch keine Bebauung.

 

Den Eindruck von der biedermeierlichen Jägerzeile bestärkt auch die Darstellung des Straßenzuges in Franz X. Schweickhardts Perspectiv-Karte von 1837. Die Häuser der südlichen Zeile waren meist giebelständig, während die nördliche Straßenseite von den Gärten der Hauptstraßenhäuser geprägt war. Die Franzisko-Josephinische Landesaufnahme von 1872 lässt wiederum erkennen, dass die bisherigen Baulücken an der Südseite mittlerweile geschlossen worden waren, wobei die längliche Bauform der Giebelhäuser weitergeführt wurde – die nördliche Zeile war immer noch unbebaut. Alten Fotos entsprechend dürfte das Haus Nr. 3 (Van M Beer-Pub) um 1900 als eines der ersten nördlichen entstanden sein – in dem Haus wurde die Lebzelterei, Wachszieherei und Zuckerbäckerei Bittner betrieben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts dürften dann auch Nr. 11 und 13 hinzugekommen sein. 1931 folgte dann im Auftrag des katholischen Vereins der Bau des Kinderheimes mit Pfarrkindergarten (Nr. 15), der mit Spenden finanziert wurde. Auch der Neubau der Tischlerei Karpf wurde errichtet und im Laufe des 20. Jahrhundert gesellten sich einige weitere Wohnbauten und der Neubau des Kindergartens hinzu. 


Foto 1: Die Jägerzeile im Biedermeier, 1837 (Perspektiv-Karte, Franz X. Schweickhardt)

Foto 2: Die Jägerzeile im Jahr 1872 (Franzisko-Josephinische Landesaufnahme, Wikipedia)

Foto 3: Giebelständiges Haus Jägerzeile 30, 1903 (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 4: Haus Pleß/Wiener, um 1905 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Fleischerei Josef Seiwerth (später Teitzer), um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 6: Jägerzeile mit Blick Richtung Osten, 1957 (Archiv Karl Trenker)

Foto 7: Jägerzeile mit Blick Richtung Westen, um 1960 (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 8: Haus Jägerzeile 10, alte Tischlerei Karpf, 1990 (Archiv Karl Trenker)