Online-Gschichtl Nr. 74

Winter in Wasenbruck - Zwischen Neonlicht und Kinderfreuden

Passend zur jetzigen Jahreszeit nimmt uns Johann Amsis heute auf eine kleine, nostalgische Reise in die Zeit um 1960 mit und berichtet uns in zwei Teilen, wie ereignisreich man damals den Winter in Wasenbruck verbrachte.

 

Die „Stille Zeit“ war in Wasenbruck wahrlich eine finstere, stille Zeit, auf der Hauptstraße bis zur Fabrik standen vielleicht vier bis fünf Straßenlaternen mit ihrem Neonlicht. An den Fabrikshäusern, an jedem Eck und bei den Eingängen, gab es je eine Lampe mit einer 100er-Birne. In der Windgasse kamen noch zwei bis drei Laternen dazu, aber dann war es schon vorbei mit der hellen Pracht. Zwischen vier und fünf Uhr am Abend ist es schon ziemlich finster geworden, der Nebel trug auch noch das seinige dazu bei. Wenn man unter einer Lampe gestanden ist, hat man vielleicht drei bis vier Meter gesehen, wenn da plötzlich jemand aus dem Nebel aufgetaucht ist, ist einem gleich das Herz stehen geblieben. Wenn die Person dann ins Licht gekommen ist, stieß man ein erleichtertes „Ah-du-bist-as-eh-nua“ aus – mit dem Herzrasen ging man aber dann weiter bis nach Hause.

Fernsehen gab es ja damals noch nicht, so saßen wir in den Wohnungen, lasen ein Buch oder sahen die Micky-Maus-Hefte an. Mit viel Glück hatten wir einen Partner für „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Das kaufmännische Talent“. Wenn wir den Eltern schon lästig wurden, sagten sie, „schau beim Fensta aussi, obs scho flankalt“. Manchmal begann es auch wirklich aus dem Nebel heraus zu flankerln, im Schein der Neonlampe konnte man lange zusehen, wie es mehr und mehr zu schneien begann. Der Schnee breitete sich auf die Wiese, auf die Baumkronen, auf die Straße und auf den Gehweg. Ja, jetzt machen wir einen Spaziergang im Schnee und „daun schaufe mah ah glei“. Der Nebel verschwand und der Schnee wurde immer mehr. Nach dem Spaziergang wurde die Schneeschaufel ausgepackt und der Gehsteig geräumt. Auch gestreut wurde natürlich, nein nicht mit Schotter, Salz oder Sand, das war ja zu teuer. Vom Ofen wurde die Aschenlade herausgenommen und mit der Asche der Gehsteig gestreut. Die erfüllte tadellos ihren Zweck, der Dreck war natürlich eine andere Geschichte.

Wenn der Schneefall aufhörte und man rausging, konnte man seltsame Geräusche vernehmen, die man sonst das ganze Jahr nicht hörte. Der Zugverkehr von der Ostbahn in Götzendorf, das Schnauben und Rollen der Dampflokomotiven mit den Wagons hörte sich an, als wenn die Bahn gleich hinter der tiefen Leitha vorbeifahren würde. In manchen Jahren nahm die Nebelzeit kein Ende, Tag für Tag Nebel, das man fast schon trübsinnig werden konnte. Dann kam über Nacht ein plötzlicher Kälteeinbruch und die Natur war eingehüllt in eine märchenhafte Raureiflandschaft

„Der Leithabaum“ war einige Jahrzehnte lang ein beliebter Treffpunkt, der Jugendlichen, Großeltern und Elterngeneration. „Wo treff mah uns heit, nau beim Leidabam“. Der bekannte Maler und Sänger Arik Brauer hat den „Leidabam“ in einem seiner Lieder in den 1970er-Jahren verewigt. Da hieß es in einer Strophe: „untan Leidabam fressn die, die Gössn zaum“. Es ist mir leider nicht gelungen den Text von diesem Lied zu finden, vielleicht kann ja wer weiterhelfen.

Dann kam die große Kälte, viel Schnee, in manchen Jahren hatte es drei bis vier Wochen vor Weihnachten durchgehend minus 15° C bis minus 20° C. Die Leitha war zugefroren, sodass man darauf eislaufen konnte. Manchmal, wenn es kurz wärmer geworden ist, trieben die Eisschollen in der Leitha und verfingen sich am Rechen vor der Turbine – das Wasser staute sich auf und die Leitha trat über die Ufer. Bei der Pfarrerwiese, beim heutigen Schleusendamm, fing es an. Das Wasser bildete dort einen großen See, der nicht allzu lange brauchte und zufror. Beim Rechen bei der Fabrik hat die Betriebsfeuerwehr den Eisstoß wieder gesprengt, die Leitha ging zurück ins Flussbett. Der Natureislaufplatz aber blieb und ein Paradies zum Eislaufen in natürlicher Schönheit war für die Wasenbrucker entstanden. Besen und Schaufel in die Hand, den Schnee weggeschaufelt, die Eisfläche sauber gekehrt, die „Schraufndaumpfa“ angeschraubt und los ging es. Wer Glück hatte, besaß schon Schlittschuhe. Beim Heimatseitentreffen hat mir Kurti Tobler erzählt, er musste sich damals die Schraufndaumpfa mit dem Mori Hansi teilen.

Die Winterbekleidung war damals auch noch nicht das Gelbe vom Ei, die Mädchen mit den zwirnenen Strumpfhosen, die Buam mit da „laungan Gatehosn“, selbstgestrickte Socken und Pullover, eine dicke Stoffhose, einem Anorak und eine „Pudlhaum“ oder ein Kopftuch. Ruck zuck war man beim Umhertollen durchgeschwitzt und pudelnass, also heim zur Mama und rasch umgezogen. Die Wäsche kam auf die Leine, ja man staune, die Wäsche ist auch draußen am Strick bei den strengen Minusgraden trocken geworden. Sie war halt beinhart gefroren und man konnte so eine Hose oder Jacke schon an eine Wand lehnen, ohne dass sie umfiel. Frisch umgezogen und sofort wieder hinaus in die Natur. Aber nicht nur auf der Pfarrerwiese gab es einen Eislaufplatz. Nach dem Bau des Tennisplatzes brachte die Feuerwehr bei Beginn einer Kälteperiode auf die dortige Fläche Wasser auf, dass gleich fror und eine super Eisfläche bildete. Hier wurde eisgelaufen, eisgetanzt und Eishockey gespielt oder auch nur herumgerutscht und „gesiaflt“.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Der berühmte Wintersportort Wasenbruck anno dazumal (Archiv Johann Amsis)

Foto 2: Jeder Hügel wurde zur Skipiste (Archiv Johann Amsis)

Foto 3: Eislaufen am Wasenbrucker Tennisplatz (Archiv Johann Amsis)

Foto 4: Eislaufen am Wasenbrucker Tennisplatz (Archiv Johann Amsis)

Foto 5: Eis und Schnee auf der Pfarrerwiese, 1961 (Archiv Johann Amsis)

Foto 6: Eis und Schnee auf der Pfarrerwiese, 1961 (Archiv Johann Amsis)

Foto 7: Eisschollen treiben im Werkskanal (Archiv Johann Amsis)

Foto 8: Werkskanal im Jänner 1942 (Archiv Johann Amsis)