Online-Gschichtl Nr. 112

Friedrich Opferkuh und der Arbeitsalltag im Steinbruch - Teil 2

Im zweiten Teil zu Ava Pelnöckers Beitrag über Friedrich Opferkuh und das Steinmetzhandwerk kommt nochmals posthum der Meister selbst zu Wort, der über die Steinbearbeitung im Hauser-Bruch berichtet.

 

„An der Wand des Steinbruches arbeiten die Steinzerschläger, die die Steine anschließend auf die Fuhrwerke verladen. Meist waren es 3,5 bis 4,5 Tonnen, die so ein Wagen fasste. Zum Zerschlagen bedient man sich des sogenannten Mazza (italienisch: Hammer), eines Schlägels mit 5,5 bis 6 Kilogramm Gewicht. In der Mitte des Stahls ist ein Stiel von der Cornelkirsche befestigt – dem sogenannten Dirndlstrauch – der rund um den Steinbruch häufig zu finden ist. Durch den dünnen Stiel und das hohe Gewicht des Hammers entfaltete der Mazza eine starke Wucht, mit der man in kürzester Zeit einen Block von 3 bis 4 Kubikmetern zertrümmern konnte.

Doch diese Arbeit brachte den Arbeiter rasch an die Grenzen seiner Leitungsfähigkeit. Die Männer verausgabten dabei ihre Kräfte derart, dass sie in kürzester Zeit in Schweiß gebadet waren. Das Herz raste, als wolle es herausspringen!

Auf der oberen Wand hörte man währenddessen die Kommandos der Stoß-Partie. Der Stangenführer rief ‚Ho-Ruck!‘. ‚Bumm!‘, ertönte es dumpf, ‚Ho-Ruck!‘ und wieder ‚Bumm!‘. ‚Er geht! Er kummt! Halt!‘ Der eine machte einen Ritz, der andere wiederum machte ein Lager auf, einer drehte einen großen Block mit zwei bis drei Kubikmeter mit der Winde um. Die zu bearbeitenden Blöcke werden mit großer Umsicht, ja fast wie Kranke behandelt, denn jeder Stein hat seine Fehler! Hier eine Lasse, da ein Riss! Durch Klopfen stellte man fest, wo der Stein seine Schwachstellen hatte, bevor man das Lager aufmachte. Verständlich, dass der Steinmetz ständig mit seinem Werkstück redet, wenn man bedenkt, wie viel Mühsal es ihm abverlangt, bis es fertig ist.

Die Steinmetze haben es am leichtesten mit dem Werkzeug. Mit Schlögel, Spitzeisen und Sprengeisen gehen sie zu ihrem Block. Da mir das Werkzeug fehlte, musste ich zum Schmied namens Pillitsch, einem alten Mann, dessen Werkstatt in der Nähe des Waldes gelegen war. Hier an seiner Esse arbeitete er nach den gleichen Methoden wie schon viele Generationen vor ihm. Mit dem Schmied muss man sich immer gutstehen! Zu wichtig ist das Werkzeug, als dass man es sich mit ihm vertun könnte. Einen guten Steinmetz erkennt man auch daran, dass er sein Werkzeug selbst anschleifen kann.

Großer und kleiner Schlögel, Gipfel, zehn Spitzeisen, Mondeisen, fünf Breiteisen, drei Beitzeisen, Nutweisen, fünf kleine Spitzeisen, Peckhammer, Kreindl, grober und mittlerer Stockhammer, Feinstockhammer, Winkel, Hobel, Riffel, Raspel, Holzrichtscheid, Bleistift und Maßstab gehören zur Grundausstattung. Den Mazza, den Schlaghammer und einen Zweispitz nimmt man sich, wo er greifbar ist.

Schwer bepackt mit meinem Werkzeug ging ich wieder hinunter in den Steinbruch. Die Sonne brannte schon ganz schön heiß vom Himmel! Um sich davor zu schützen, hatten sich manche Kollegen schon ein dicht belaubtes Bäumchen aus dem Wald geholt und an ihrem Arbeitsplatz aufgestellt.

Mein Rohblock hatte eine sichtbare Lasse. Dort machte ich einen kleinen Ritz mit zwei Keilpackeln. Beim Ritz macht man eine Doppelspantat, das sind zwei Rillen mit vier Zentimeter und mehr, der Riss bleibt in der Mitte. Der Ritz hat eine keilförmige Vertiefung, in dessen unterem Teil kein Stein stehen bleiben darf. Nun werden Eisenplatteln aus Fassreifen eingesetzt und mit dem Schlögel eingebracht, bis sie ziehen. Wenn die Platteln nicht ziehen, legt man noch eines ein, erst dann wird der Stein abgetrieben, zunächst mit dem Schlögel, dann mit dem Mazza. Von links beginnend gibt man jedem Keil einen Schlag und horcht, ob sich der Ton ändert. Zieht das Material schlecht, gibt man dem Stein etwas Zeit sich zu lösen. Das Abtreiben des Blockes war immer ein spannender Vorgang: Plötzlich, mit einem eigenen singenden Ton ging die Spaltung vor sich, so dass man den Stein nun von allen Seiten begutachten konnte.

Für die Profilseite wählte der Steinmetz nun die beste Seite aus. Bei meinem Block – einem mittleren Mannersdorfer Stein – machte ich das Lager auf, zwei Seitenflächen und das untere Lager. Nun ging ich in die Werkstätte und rief: ‚Die Herren sind angesprochen!‘ Meist ohne aufzublicken legten die jüngeren Steinmetze die Werkzeuge beiseite und folgten mir nach draußen. Ich nahm die Steinmetzrodel, fuhr vor das Werkstück und kippte sie. Jetzt musste man die Räder verlegen, damit kein Unglück passierte. Der Block lehnte nun an der Rodel, ein ‚Hoo Ruck‘, ein Sprung auf die Stange, alle halfen mit und der Stein war oben. Alle stießen den Stein und die Stange nach unten und so wurde selbst der schwerste Stein nach vorne gebracht, schlimmstenfalls musste man mit der Brechstange nachhelfen. Endlich war der Rohblock in der rechten Lage und mit ‚Horuck‘ ging es in die Werkstätte.

Nun kam der Block auf die vorbereiteten Steinmetzböcke. ‚Bedankt sind die Herren!‘, rief ich ihnen zu und meine Helfer gingen wieder an ihre Arbeit. Ich hatte den Platz neben dem älteren Kollegen. Gemeinsam klopften wir den Stein ab, und es stellte sich heraus, dass er brauchbar war. Ringsum setzt wieder das Hämmern in allen Tonarten ein.

Ich machte mir ein Lager auf und achtete besonders darauf, die erste Fläche nicht schief geraten zu lassen. Manche Werkstücke lassen sich ohnehin nicht genau kontrollieren, da nach Fertigstellung der Wiederkehr und Verkröpfung nicht mehr viel davon übrigbleibt.

Mitten in die Arbeit dringt der Ruf ‚Frühstück!‘. Alle sind erleichtert, die Werkzeuge nun weglegen zu können und trotten zur Hütte. Kaum einer, der dabei ein Wort spricht! In der Hütte haben alle ihren angestammten Platz und im Nu hat jeder sein Viertel Wein oder seine Flasche Bier vor sich stehen. Der „Baselführer“ (Kantineur), der die Getränke ausgibt, macht dafür einen Stich bei Namen des jeweiligen Arbeiters. Am Samstag, nach der Lohnauszahlung, bekommt auch er sein Geld. Manche hatten auf diese Weise ihren Lohn schon während der Woche vertrunken, fürs Essen blieb da nicht mehr viel übrig! Das Essen, Trinken und Geplauder hebt an, diese halbe Stunde ist sicher der beliebteste Teil des Arbeitstages! Die älteren Arbeiter erzählen sich Begebenheiten aus vergangenen Zeiten, die sie von ihren Lehrmeistern oder Vätern gehört hatten. Bei diesen Gesprächen waren die Jungen nicht zugelassen.

Bald ertönte wieder das ‚Auf geht´s!‘ des Meisters und alle trotteten erneut in Richtung Steinbruch, wo bald von neuem das Klopfen und Hämmern anhebt. Nun bekam ich drei Schablonen für mein Werkstück: das Lagerbrett, die Vorder- und die Seitenansicht. Auf der Schablone war öfters auch der Stückpreis angeschrieben. Je komplizierter, umso besser, dachte ich mir, denn so konnte ich mein Können unter Beweis stellen.

War die Arbeit erst einmal begonnen, wurde nicht mehr geredet. Das Hämmern und Klopfen beherrschten die Stunden bis zur Mittagspause. Vor allem die Stockhämmer gaben einen herrlichen Klang. Da die Werkstücke auf Holz gelagert waren, hatten sie einen besonders hellen Ton. Öfters wurde auch im Takt gearbeitet, dann klang das Zusammenspiel wie Musik.

So verging der Vormittag wie im Flug und bald erschallte der Ruf ‚Mittag!‘, worauf alle ihre Werkzeuge niederlegten und dem Ausgang zuströmten. Manch einer wischte sich den Schweiß mit dem Fürtuch von der Stirn. In der Hütte hatten die Frauen bereits aufgedeckt. Mit dem Kochen mussten sie schon um 11 Uhr fertig sein, um sich mit den Mahlzeiten auf den 1,5 bis 2,5 km langen Weg in den Steinbruch zu machen. Besonders für ältere Frauen ein mühsames Unterfangen! Die Speisen waren einfach und bestanden meist aus dem, was der eigene Garten oder kleine Acker hergab: Erdäpfel, Bohnen, Kraut, Gurken und Karotten. Oft gab es Nudeln und Bohnen oder Erdäpfel mit Salat. Nur einmal in der Woche kam Rindfleisch und Kohl auf den Tisch. Manch einer der Männer verdrückte drei Knödel auf einmal und die waren gewiss nicht klein!

Bald darauf waren die Essenträgerinnen wieder fort und die meisten der Männer streckten sich unter den Eichenbäumen zu einem Nickerchen aus. Die Mittagszeit von einer Stunde benötigten alle um Kräfte für den Nachmittag zu sammeln, denn bald rief der Meister wieder ‚Aus ist´s!‘ und alle erhoben sich erneut zur Arbeit. So mancher von den Älteren aber mit bleiernen Gliedern.

Die Hilfsarbeiter schleppten unterdessen die Winden heran und brachten sie in Stellung. Sie arbeiteten mit der großen Stange. Der Stangenführer gab die Anweisung: ‚Kugeln einlegen!‘. Man legte am unteren Lager zuerst kleinere etwa drei bis vier Zentimeter, dann größere Kugeln mit vier bis zehn Zentimeter Größe unter, so dass der Stein sich leicht nach vorn bewegte.

‚Der Schwebewagen ist da!‘ – Im Steinbruch steht ein Wagen, der Fuhrmann daneben, der die Blöcke in die Stadt führt. Die Achsen bildeten zwanzig mal zwanzig Zentimeter starke Kanthölzer für die Aufnahme der Rohblöcke. Vorn befand sich ein Sitzkorb aus Weidengeflecht für den Fahrer.

Der Meister gab seine Anordnungen zum Aufladen. Dazu brachten sechs Mann mit der Winde die Blöcke in die richtige Lage. Nun wurde der Wagen zurecht geschoben. Vier Mann brachten den Ladebock, eine schiefe Ebene, die so hoch wie der Wagen selbst war und zur Sicherheit in der Mitte untergestellt wurde. Der große Block lag schon bereit. Sicherlich wog er seine drei Tonnen! Mit der Winde und Hebestange wurden unter dem Stein Zugwalzen eingezogen. Die Walzen hatten etwa zwei Meter Länge. An ihren Enden befanden sich Eisenringe, durch die 3 Zentimeter starke Eisenstangen eingezogen werden können.

Der Polier gab nun das Kommando: ‚Und auf!‘, worauf die Eisenstangen nun in die Walzen gesteckt und von den Arbeitern mit Hebelwirkung nach vorn gedreht wurden, so dass der Block im Nu auf der schiefen Ebene zu liegen kam. Alle passten auf, keinen Fehler zu machen, damit kein Unfall geschah. Inzwischen hatte der Meister einen Mann um Hölzer in den Wald geschickt, mit denen die Blöcke verklemmt werden sollten, damit sie während der Fahrt nicht verrutschten. Endlich war die Fuhre bereit zur Abfahrt! Die Herausforderung bestand nun für Pferde und Fuhrmann darin, mit dem tonnenschweren Stein aus dem steilen Steinbruch hinauszukommen!

 

Alle Arbeiter verfolgten interessiert, wie das Fuhrwerk mit der 4,5 Tonnen schweren Last den Steinbruch verließ. ‚Draußen ist er!‘, resümierte der Meister und nun war es an der Zeit ans Zusammenräumen zu gehen und die Werkzeuge auf ihren Platz zu bringen. Dann hieß es endlich: Feierabend! Müde, verschwitzt und mit langsamen Schritten folgten die Arbeiter dem staubigen Weg nach Hause!“, so Friedrich Opferkuh abschließend.


Foto 1: Reges Geschehen im Steinbruch (Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Das Leithagebirge mit den vielen kleinen Steinbrüchen bei Mannersdorf, noch vor der industriellen Nutzung (Franzisko-Josephinische Landesaufnahme, 1873)

Foto 3: Eine Darstellung des Mannersdorfer Steinbruches schaffte es sogar in das sog. "Kronprinzenwerk", das Kronprinz Rudolf als Beschreibung der gesamten Monarchie beauftragt hatte (Zeichnung von Eduard Ameseder, um 1880, Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild)

Foto 4: Friedrich Opferkuhs Lokalisierung der Mannersdorfer Steinbrüche (Archiv Friedrich Opferkuh)

Foto 5: Verschiedene Steinmetzwerkzeuge (MUK Kaisersteinbruch)

Foto 6: Die Arbeit im Vetter-Bruch (Archiv Friedrich Opferkuh)