Online-Gschichtl Nr. 98

Die Familie Karpf und das Tischlerhandwerk in Mannersdorf - Teil 1

Nach 127 Jahren und vier Generationen schloss mit Jahresende 2020 ein weiterer Mannersdorfer Traditionsbetrieb, die Tischlerei Karpf in der Jägerzeile. Dieser Umstand lässt es geboten erscheinen, auf die lange Geschichte des Handwerksbetriebes in zwei Teilen zurückzublicken und noch einmal in anerkennender Weise zu dokumentieren. Michael Schiebinger dankt seinem Nachbarn Andreas Karpf für die Zurverfügungstellung zahlreicher Dokumente und Fotos, die über ein Jahrhundert Handwerks- und Familiengeschichte lebendig werden lassen.

 

Die Wurzeln des Tischlereibetriebes Karpf und des Familienzweiges führen zurück in das Jahr 1864, damals kam am 7. Februar im Haus Nr. 254 Mathias Karpf zur Welt. Er war der Sohn des Mannersdorfer „Steinritzers“ Josef Karpf und dessen Gattin Josefa, einer geborenen Schmidt. Bereits Großvater Mathias, nach dem der Enkel benannt wurde, war in Mannersdorf Steinmetzgeselle – dessen Vorfahren waren wiederum als Färbermeister tätig gewesen, wie die Kirchenbücher zeigen.

Die Eltern von Mathias Karpf hatten 1857 in Mannersdorf geheiratet, im Folgejahr war ihr erster Sohn Josef zur Welt gekommen, der nach dem Vater benannt wurde. Mathias folgte dann mit „etwas Verzögerung“ 1864 als zweites Kind. 1865 bekam das Paar ihren dritten Sohn Karl, der jedoch bereits im Kleinkindalter verstarb. 1867 folgte ein vierter Sohn, der nun abermals den Namen Karl erhielt. Nach den Söhnen kamen noch die Töchter Maria und Juliana zur Welt, sowie die „Nachzügler“ Alois, Johann Evangelist und Martin. Mathias Karpf war folglich der Zweitälteste einer kinderreichen Familie und besuchte ab 1870 die damals noch achtjährige Volksschule von Mannersdorf. Sein Abschlusszeugnis von 1878 lässt erkennen, dass Mathias ein sehr guter und fleißiger Schüler war.

Während der ältere Bruder Josef das Steinmetzhandwerk erlernte und in die Fußstapfen des Vaters trat, sollte Mathias das Tischlerhandwerk wählen. Der 14-Jährige Mannersdorfer übersiedelte deshalb 1878 in die Haupt- und Residenzstadt Wien, wo er bis Juli 1879 den gewerblichen Vorbereitungskurs in der Sonnenuhrgasse in Gumpendorf (6. Bezirk) besuchte. Die sehr guten Noten zeigen, dass Mathias auch weiterhin ein begabter Schüler war. Im Anschluss an den Vorbereitungskurs besuchte er dann die Gewerbeschule, die damals zur weiteren beruflichen Ausbildung bestand. Parallel dazu war Mathias 1878 in Wien bei Tischlermeister Josef La(t)zinka in die Lehre eingetreten. Dieser hatte seinen Handwerksbetrieb in der Hundsturmerstraße 92 (heute Schönbrunner Straße) in der gleichnamigen Vorstadt Hundsturm im Bezirk Margareten. Lazinka selbst wanderte aus Neutitschein/Nový Jičín in Mährisch-Schlesien zu, ließ sich in der Wiener Vorstadt nieder und entstammte selbst einer Tischlerfamilie. Bei ihm sollte Mathias Karpf, der Junge aus der Provinz, also sein Handwerk erlernen. Am Michaelitag, dem 29. September 1881, wurde Mathias nach drei Jahren Lehre als Geselle, damals noch „Gehilfe“ genannt, freigesprochen und durfte von nun an das Tischlerhandwerk selbstständig ausüben.

Über die weiteren Jahre nach der Lehre ist vorerst nichts bekannt, Mathias Karpf blieb aber offenbar in Wien und könnte bei seinem Lehrherrn oder einem anderen Meister untergekommen sein. Im Jahr 1892 sollte er dann in der Pfarrkirche Gumpendorf den Bund der Ehe schließen, der 28-Jährige Mathias wohnte damals in der Mittelgasse 29 im 6. Bezirk. Seine Gattin Elisabeth Beck war zwei Jahre älter und stammte aus Muschau/Mušov in Südmähren. Alsbald zog Mathias mit Elisabeth zurück in seinen Heimatort Mannersdorf.

Damals bestanden im Markt Mannersdorf bereits einige Tischlereien, so jene von Johann Engel, Florian Fasching, Josef Jagschitz und Johann Leitner. Im Jahr 1893 gründete Mathias Karpf im alten, biedermeierlichen Steinmetzhaus Jägerzeile 10 (Haus Nr. 173) seinen eigenen Tischlereibetrieb. Das junge Paar bekam im Dezember 1893 ihr erstes Kind, doch Tochter Anna sollte nur ein Jahr alt werden. Im Juli 1895 folgte Sohn Friedrich, der noch als Säugling verstarb. 1897 wurde wieder eine Tochter geboren, die abermals den Namen Anna erhielt und später ein hohes Alter erreichen sollte. Im Jahr 1898 kam dann Sohn Anton zur Welt und 1900 folgten die Zwillinge Karl und Elisabeth, die allerdings als Säuglinge verstarben. Und auch Sohn Leopold, der 1901 geboren wurde, verstarb alsbald. 1903 bekam das Paar noch Tochter Maria, die wie Anna und Anton ein hohes Alter erreichen sollte. Mathias und Elisabeth Karpf lebten mit ihren drei Kindern in der Jägerzeile. Um die Jahrhundertwende war Mathias auch sportlich aktiv und Rechnungsprüfer im Mannersdorfer „Radfahrclub Austria“. Und auch im Ausschuss des hiesigen „Geselligkeitsvereins“ wurde der Tischlermeister gern gesehen.

Mathias Karpfs Tochter Anna heiratete 1923 den Lehrer Johann Nemecek und Tochter Maria nahm 1937 Franz Pouzar zum Mann. Sohn Anton sollte indes bei Vater Mathias in die Lehre gehen, 1922 die Gesellenprüfung ablegen und den Familienbetrieb übernehmen. Im Dezember 1925 verstarb Mathias‘ Mutter Josefa Karpf, die ihrem Sohn das elterliche Anwesen in der Tattendorfgasse 48 (damals Haus Nr. 194) hinterließ. Dorthin verlegte Mathias nun seinen Tischlereibetrieb und auch Sohn Anton zog ins Haus ein.

In der Tattendorfgasse dürfte Anton Karpf dann auch Maria, die Tochter der Familie Hainzl, kennengelernt haben, die damals als Verkäuferin tätig war. Im November 1928 heiratete Anton, der damals schon ausgelernter Tischler war, seine Maria in der Mariahilferkirche in Wien. Am 7. Juni 1929 kam im Rudolfinerhaus in Wien-Döbling Antons und Marias erster Sohn Anton Josef (jun.) zur Welt, der später die Tischlertradition fortführen sollte. Bereits am 11. Jänner desselben Jahres war das Familienoberhaupt Elisabeth Karpf mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Mathias Karpf startete seine Tischlerausbildung in der Vorstadt Gumpendorf (ÖNB/AKON, AKON_AK075_164)

Foto 2: Auf der Schönbrunnerstraße befand sich der Tischlereibetrieb von Josef Lazinka, wo Mathias Karpf in die Lehre ging (Online-Sammlung Wien Museum, 185492 1-2, C. Ledermann jun., um 1900 (CC0))

Foto 3: Lehrbrief von Mathias Karpf aus dem Jahr 1881 (Familie Karpf)

Foto 4: Das Haus Jägerzeile 10 in Mannersdorf, 1990 (Archiv Karl Trenker)

Foto 5: Gesellenbrief von Anton Karpf sen. aus dem Jahr 1922 (Familie Karpf)

Foto 6: Rudolfinerhaus in Wien-Döbling, hier kam Anton Josef (Toni) Karpf 1929 zur Welt (Online-Sammlung Wien Museum, 17788_687 1-2, C. Ledermann jun., um 1898 (CC0))

Foto 7: Die Familie Karpf im Jahr 1942: Maria, Anton jun. (Toni) und Anton sen. (Familie Karpf)