Online-Gschichtl Nr. 195

Wie alt ist Mannersdorf? - Frühmittelalterliche Abfallgruben erzählen darüber

Nach einer längeren Schaffenspause gibt es heute wieder ein neues Online-Gschichtl. Heribert Schutzbier geht in seinem Beitrag der Frage nach, was uns Abfallgruben aus dem Frühmittelalter über das Alter unserer Stadt erzählen können.

 

Die älteste Urkunde, auf welcher der Name „Mannersdorf“ („Menhart“) aufscheint stammt aus dem Jahr 1233. Sie wird im Slowakischen Nationalarchiv in Bratislava aufbewahrt und berichtet in lateinischer Sprache, dass der Palatin Dionysius den Peter, Sohn des Mauricius wegen der Zerstörung der Dörfer Hof und Mannersdorf („nomina sunt Hub et Menhart“), die dem Poth, Sohn des Poth, gehörten, zu einer Geldstrafe verurteilte.

Beim Studium dieser Urkunde fallen drei Dinge besonders auf. Erstens ist es ein kriegerisches Ereignis, das zur Anfertigung dieses Schriftstückes Anlass gab. Der Herrschaftsbesitzer wurde offenbar entschädigt, ob aber der damaligen Bevölkerung, welche durch die Zerstörung ihrer Dörfer am meisten zu leiden hatte, auch geholfen wurde, erfahren wir leider nicht. Zweitens gibt es zu dieser Zeit noch keine Familiennamen. Zur Unterscheidung wird zum Namen der jeweilige Name des Vaters genannt, wie das teilweise heute noch in Skandinavien vorkommt oder im Orient üblich ist. Und drittens ist da von Dörfern die Rede, es können keine einzelnen Gehöfte gewesen sein. Es müssen also bereits größere Ansiedlungen bestanden haben, die schon längere Zeit vor dieser urkundlichen Nennung existiert hatten.

Über den Zeitraum vor der urkundlichen Erstnennung muss die Archäologie Auskunft geben. In unserem Fall sind die maßgeblichen archäologischen Fundplätze die sog. „Abfallgruben“ des Frühmittelalters. Die Gruben wurden entweder neu angelegt oder sekundär verwendet und bergen als Fundgut den Siedlungsabfall unserer Vorfahren. Abfallgruben können Produkte des „zufälligen Wegwerfens“, aber auch in ritueller Hinsicht oder zur Bevorratung angelegt worden sein.

1980 wurden in Mannersdorf etwa bei Aushubarbeiten für den Neubau des Hauses Hauptstraße 35 (Konskriptionsnummer 20) in der straßenseitigen Wand der Baugrube zwei verschüttete Abfallgruben angeschnitten, welche sich durch ihre dunklen Füllungen vom mergeligen Ton des gewachsenen Bodens deutlich abhoben. Während die eine Grube glasierte und unglasierte Tonscherben enthielt und deshalb etwa in das 16. Jahrhundert datiert werden konnte, erwies sich zweite Grube als weitaus älter und interessanter. Sie war mit dunklem Erdreich verfüllt, das im unteren Bereich von mehreren Aschenbändern durchzogen war. Darinnen fanden sich neben Schlackenresten einige unglasierte Tonscherben, die wenig spektakulär aussahen. Einem dieser Keramikbruchstücke galt später das besondere Interesse der Fachleute. Es handelt sich um ein Mundsaumstück mit anschließendem Wandteil eines auf der Drehscheibe gefertigten Töpfchens aus braunem, hart gebranntem Ton. Um die Schulter verlaufen ein geritztes Wellenband und darunter eine doppelte umlaufende Rille. Ein Bodenstück aus gleichem Material gehörte vermutlich zum selben Gefäß. Dr. Herwig Friesinger, emeritierter Universitätsprofessor und Fachexperte für Ur- und Frühgeschichte, datierte die Gefäßreste damals in die Mitte des 10. Jahrhunderts.

1981 wurde Mannersdorf an die Erdgasversorgung angeschlossen. Aus diesem Grund wurden in der Hauptstraße und in einigen Nebengassen Leitungsschächte aufgegraben. Da der dazu notwendige Aufschluss mehrere Tage offen bleib, konnte er von Mitarbeitern des Museums Mannersdorf untersucht werden. Dabei fielen an den Wänden der Künette mehrere Verfärbungen auf, die sich als verfüllte Abfallgruben herausstellten. Zwei dieser Gruben befanden sich im Bereich der Pestsäule. Eine war an der Südostwand angeschnitten, die andere fast gegenüberliegend an der Nordwestwand. Die Verfüllungen beider Gruben bestand hauptsächlich aus schwarzem Humus und eingestreuten Brandschichten. Aus der ersten Grube konnten wenige stark mit Glimmer gemagerte Tonscherben geborgen werden, von denen einer zwischen zwei Linien ein eingeritztes einfaches Wellenband aufweist. Aus der zweiten Grube stammen nur wenige stark glimmergemagerte Tonscherben. Obwohl es in beiden Gruben nur wenige Funde gab, sind sie dennoch sehr aufschlussreich. Sowohl das eingeritzte Wellenband als auch die starke Magerung des Tones mit Glimmer sprechen eindeutig für das Frühmittelalter, also ebenfalls für die Zeit vor dem Jahr 1000.

Zwei weitere Abfallgruben wurden am Beginn der Fabriksgasse knapp vor der Einmündung in die Hauptstraße entdeckt. Auch sie waren mit schwarzem Erdreich verfüllt. Die eine Grube enthielt geringes Scherbenmaterial aus dem 15. und 16. Jahrhundert, sind also für die Altersbestimmung von Mannersdorf selbst nicht aussagekräftig. Weitaus interessanter war der Inhalt der zweiten Grube. Knapp über dem Grubenboden fanden sich Asche, Steine und Tonscherben. Die Keramikbruchstücke wurden damals von Dr. Erik Szameit näher untersucht und datiert: Ein Mundsaum stammte aus dem 12. Jahrhundert. Ein weiterer Mundsaum mit Schulteransatz, auf dem zwei parallele Linien eingedrückt sind, gehörte einst zu einem Gefäß aus dem 10. bis 11. Jahrhundert und eine mit drei parallelen Stichbändern verzierte Wandscherbe und ein Mundsaum konnte gar dem 9. Jahrhundert zugeschrieben werden. Das letztgenannte Objekt stammte folglich aus der Zeit der Karolinger.

 

All die genannten, zunächst unscheinbaren Tonscherben aus Abfallgruben unserer frühmittelalterlichen Vorfahren sind für Mannersdorf außerordentlich wichtig, da sie über die Zeit vor der urkundlichen Erstnennung Auskunft geben. Sie zeigen, dass die urkundliche Nennung von 1233 die Existenz Mannersdorfs zwar erstmals schriftlich belegt, die Ortschaft als solche aber bereits in den Jahrhunderten vor dem Jahr 1000 bestanden haben musste. 

Foto 1: Tonscherbe aus der Mitte des 10. Jahrhunderts (Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Schematische Querschnitte durch die Abfallgruben (Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Lage der aufgefundenen Abfallgruben (Plangrundlage OpenStreetMaps - Mitwirkende)