Online-Gschichtl Nr. 119

Das Mannersdorfer Maria-Hilf-Bild - Teil 1

Das heutige Online-Gschichtl ist einer besonderen Madonnendarstellung in der Mannersdorfer Pfarrkirche gewidmet, die uns Michael Schiebinger in zwei Teilen näherbringen wird.

 

Als Kind bin ich gerne mit meiner Großmutter Magdalena in die Mannersdorfer Pfarrkirche gegangen, sie stammte aus einer Kleinbauernfamilie am Schubertplatz und wurde 1924 als Leni Kögler geboren. Jahrzehnte später saß ich dann mit meiner Oma in der Kirchenbank – damals entstand mein Interesse an Kunst und an der Vergangenheit. Ein Gemälde in der Mannersdorfer Pfarrkirche hat mich schon immer ein wenig fasziniert, die Maria-Hilf-Darstellung an der linken Langhauswand. Doch was hat es mit diesem Bild auf sich? Begeben wir uns auf eine kleine Spurensuche!

Auf die Hilfe Mariens bei Gefahren vertrauten die Menschen bereits im Mittelalter. Im 16. Jahrhundert, als die Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich zunahmen und gleichzeitig die Protestanten die Marienverehrung ablehnten, rückte die Gottesmutter wieder verstärkt in den Fokus der katholischen Kirche. 1571 wurde nach dem Sieg über die Osmanen bei Lepanto die Anrufung „Maria hilf!“ in die sog. „Lauretanische Litanei“, einem Gebet mit Wechselgesang, aufgenommen. Dadurch angeregt dürfte der bedeutende Maler Lukas Cranach der Ältere nach 1537 ein Madonnenbild für den sächsischen Kurfürsten geschaffen haben. Als 1611 Erzherzog Leopold V. von Österreich-Tirol am kursächsischen Hof zu Gast war, wählte er das Madonnenbild Cranachs als Gastgeschenk aus und brachte es zunächst nach Passau, wo der Erzherzog Fürstbischof war. Das Gemälde galt bald als wundertätig, oberhalb der Stadt Passau entstand daher eine eigene Wallfahrtskirche, in der bis heute eine Kopie des Cranach-Bildes verehrt wird.

Das Originalbild von Cranach kam hingegen nach Innsbruck, wo es seinen Platz in der Stadtpfarrkirche St. Jakob (heutiger Dom) fand. Das Gotteshaus entwickelte sich rasch zu einem Wallfahrtsort und die Verehrung des Maria-Hilf-Bildes verbreitete sich mittels Kopien im ganzen deutschsprachigen Raum. Auch in Wien wurde 1660 eine Kopie des Maria-Hilf-Bildes gestiftet und später am Hochaltar jener Wallfahrtskirche aufgestellt, die für den heutigen 6. Gemeindebezirk und die vorbeiführende Einkaufsstraße namensgebend wurde.

Die Maria-Hilf-Darstellung von Cranach hat besonders im 18. Jahrhundert in vielen Landkirchen als Kopie Einzug gehalten. Dabei haben sich die jeweiligen Maler einmal mehr und einmal weniger an das Cranach-Vorbild gehalten. Meist sind es kleinformatige Gemälde, die als „Vorsatzbilder“ ihren Weg auf die Altäre oberhalb des Altartisches (Mensa) gefunden haben. Auch in der Mannersdorfer Pfarrkirche befindet sich noch heute eine Kopie des Maria-Hilf-Bildes. Das gerahmte Gemälde mit Strahlenkranz hängt an der linken Langhauswand gegenüber der Heilig-Grab-Kapelle. Der Strahlenkranz, der an der Rahmenunterkante fehlt, zeigt schon bei genauerer Betrachtung, dass der heutige Standort nicht der ursprüngliche ist.

Doch der Reihe nach, werfen wir einen genaueren Blick auf die Mannersdorfer Darstellung. Das hochrechteckige Gemälde ist im Vergleich zu anderen Kopien des Gnadenbildes verhältnismäßig groß, vor einem dunklen Grund ist die Gottesmutter bildfüllend dargestellt. Es ist ein „Kniestück“, sprich der Oberkörper Mariens ist bis zu ihren Knien sichtbar. Sie ist sitzend wiedergegeben und trägt eine faltenreiche, rot-blaue Gewandung – Blau ist die traditionelle Farbe für Maria. Ihr Haupt ist zum Christuskind geneigt, das Maria mit beiden Händen umfängt. Das nackte Jesulein hält gar nicht ruhig, sondern drückt sich an die Mutter. Ganz zärtlich greift es nach dem Kinn Mariens und blickt zu ihr. Die Gottesmutter schaut aber nicht zum Kind, sondern zum Betrachter, um so direkt mit ihm zu „kommunizieren“. Ihr Haupt wird von einem durchsichtigen Schleier bedeckt, auffälliger sind aber die beiden Metallkronen, mit denen Mutter und Kind bekrönt sind. Es war im Barock üblich, Gnadenbilder mit solchen Metallkronen zu zieren, die meist von Wohltätern gestiftet wurden. Die Mannersdorfer Kopie steht im Vergleich dem Originalbild in Innsbruck sehr nahe, der Maler hat sich also eng an das Vorbild gehalten. Eine Datierung ist bei derartigen Kopien immer schwierig, das Werk in Mannersdorf könnte noch im 17 Jahrhundert entstanden sein oder dann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Interessant ist auch der Rahmen des Gemäldes, der stark ornamentiert ist und Rosetten wie Palmettenblätter aufweist. An drei Seiten ist er von vergoldeten Strahlen umgeben, nur nicht an der Unterkante. Stilistisch nimmt der Rahmen Formen des Frühklassizismus auf, ist also um 1770 bis etwa 1800 zu datieren. Im selben Zeitraum entstanden auch der Tabernakel am Hochaltar der Pfarrkirche und die beiden flankierenden Engelsfiguren. Dies verwundert nicht, denn das Maria-Hilf-Bild gehört eigentlich auf den Hochaltar, wo es sich als sog. „Vorsatzbild“ oberhalb des Tabernakels lange Zeit befand. Der Hochaltar selbst ist aber ein Werk des Spätbarocks und war bereits um 1740 unter Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard entstanden. Wie und warum kam es also zu der klassizistischen Umgestaltung mit dem Tabernakel und dem Maria-Hilf-Bild?

Dazu mehr im zweiten Teil des Online-Gschichtls …


Foto 1: Das Mannersdorfer Maria-Hilf-Bild (Michael Schiebinger)

Foto 2: Maria-Hilf-Kirche in Passau (ÖNB/AKON, AKON_AK073_342)

Foto 3: Passauer Kopie des Maria-Hilf-Bildes (Michael Schiebinger)

Foto 4: Maria-Hilf-Bild im Dom zu Innsbruck, Cranachs Original (Michael Schiebinger)

Foto 5: Mariahilfer Pfarr- und Wallfahrtskirche, 6. Wiener Gemeindebezirk (ÖNB/AKON, AKON_AK035_238)

Foto 6: Maria-Hilf-Bild, 6. Wiener Gemeindebezirk (Michael Schiebinger)